Die Fahrtenproa 2001
Die Diskussionen in der eGroup PROA_FILE bewegten sich in den letzten Wochen verstärkt um dieses Thema. Meine eigenen ersten Gedanken zu einer (pazifischen) Fahrtenproa liegen jetzt über 5 Jahre zurück. Zeit die damaligen Erkenntnisse neu zu werten. Ich greife dabei bedenkenlos (im Interesse der Sache) auf anderes Gedankengut zurück.
(Für Nicht-Proaner: Ama=kl. Auslegerrumpf in Luv; Aka=Ausleger/Beam; Vaka=gr. Hauptrumpf in Lee)
Die wesentlichen Vorteile
Es ist schwer die einzelnen Bereiche voneinander zu trennen, da sie sehr oft überlappen. Andererseits kann jeder Vorteil auf verschiedener Weise oder in Kombination mit anderen herbeigeführt werden, bzw. beinhaltet manchmal unterschiedliche Nachteile.
1. Flexible Reaktion
Eine Proa reagiert wie ein Einrümpfer selbständig auf Windeinflüsse. Sie krängt und /oder fällt automatisch ab.
- Wird der Schleppwiderstand des Ama durch einen (in Fahrtrichtung) vorgezogenen Segeldruckpunkt kompensiert, führt dies beim Austauchen des Amas automatisch zum (sicheren) Abfallen.
- Ist das Boot mit einem Lee-Pod (Rumpf-Ausbuchtung) versehen, bewirkt dessen Eintauchen bei Krängung ebenfalls ein automatisches Abfallen und wirkt der Krängung entgegen
- Das Boot kann über 45 Grad krängen und sich selbständig wiederaufrichten wie ein Monohull.
- Im Idealfall sind die Bauteile des Boots (Vaka, Akas, Ama, Rigg) untereinander flexibel (bis zu einem gewissen Grad) um Krafteinwirkungen dynamisch abzufangen.
2. Schwach belastete Strukturen
Krafteinwirkungen durch Wind und Welle können mit relativ geringer Belastung innerhalb des Systems "Proa" abgefangen werden. Einige Beispiele:
- Durch unterschiedliche Länge und Masse von Ama und Vaka werden im Seegang geringere Kräfte aufgebaut, die selten gleichzeitig auf das Boot einwirken.
- Hebt eine Welle den Ama an, bewirkt dies lediglich eine Drehung des Vaka in Längsrichtung um wenige Grad
- Ein im Vergleich zur Bootsgröße niedriger Segeldruckpunkt bewirkt nur geringe Kräfte im Rigg
- Fällt eine Böe in das Rigg, muß nur das geringe Gewicht des Amas am Hebelarm Aka/Rigg bewegt werden
3. Proportionalität
Die Proportionen des Systems "Proa" unterscheiden sich wesentlich von anderen Mehrrumpfbooten, bzw. Einrümpfern.
- Das Längen-Breitenverhältnis der Rümpfe ist mindestens 1:15 in der Wasserlinie
- Das Gewicht ist zur Bootsgröße sehr niedrig; eine 12 m Proa sollte unter 1 Tonne verdrängen.
- Die Segelfläche ist im Verhältnis zur Bootslänge klein (50 qm bei 12 m Länge) und zum Gewicht groß (50 qm pro Tonne)
- Um z.B. den Lebensraum eines 9 m Trimarans abzubilden, benötigt man eine Proa mit mindestens 12 m Länge (bei gleichen Boots-Kosten).
4. Performance
Eine Proa segelt anders als andere Segelboote.
- Sie ist sehr schnell bei leichtem und mittlerem Wind, da sie hier ihre relativ große Segelfläche und geringe benetzte Fläche ausspielen kann
- Sie wird aufgrund der geringen Massen schnell beschleunigen, aber auch schnell wieder abbremsen
- Sie segel vorwärts und rückwärts und kann problemlos leewärts driften, was u.U. beim Manövrieren in engen Buchten, Häfen von Vorteil ist.
- Sie ist immer größer als vergleichbare Boote (Lebensraum, Kosten) und liegt dadurch bei schwerem Wetter ruhiger im Wasser.
5. Selbstrettungsfähigkeit/Sicherheitsfaktor
Dieser Vorteil ist letztlich die Summe der oben genannten. Zusätzlich ist die Proa der einzige Mehrumpfbootstyp, bei dem ein selbständiges Wiederaufrichten nach einer 90 Grad Kenterung denkbar ist. Und dies ohne, bzw. mit minimalem Aufwand seitens der Besatzung.
Die wesentlichen Nachteile
Der einzige Nachteil ist die noch geringe Verbreitung und das zu sehr theorielastige Wissen um diesen Bootstyp. Praktische Erkenntnisse werden erst in den letzten Jahren (dank Internet) ausgetauscht, können doch die echten Praktiker weltweit an zwei Händen abgezählt werden. Doch Proasegeln ist keine Geheimwissenschaft mehr - die Entwicklung geht voran und jedes Jahr werden mehr neue Boote gebaut - und das Wissen wächst.
Resümee
Das bisher Zusammengetragene ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluß und oft noch graue Theorie. Es zeigt sich aber, daß sich in vielen Köpfen viele gute Gedanken angesammelt haben. Was noch fehlt ist der Sponsor, der anstatt Millionen in UmdieWelt-Regatten zu verpulvern, einen Quantensprung in der Multihullentwicklung finanziert. Denn die 'moderne' Proa ist heute (fast) immer noch da, wo der 'moderne' Katamaran vor 50 Jahren war. Viele Pioniere geben ihr Bestes, machen aber noch keinen Frühling. Kritik, Ergänzungen und Anregungen wie immer erwünscht.
Othmar Karschulin -
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Mit weniger Ernsthaftigkeit kann man sich mal im Proa Store umsehen - nach dem Motto "wie bestelle ich mir eine Proa".