Vom Kleinen Belt zu den Balearen

Reisebericht des Trimarans "allez hop"

Nach einem gründlichen Check-up in der Werft, sowie einigen Übungs- und Testfahrten im kleinen Belt, sind meine Frau Elo, meine Wenigkeit und unsere DRAGONFLY 1000 für eine Seereise in den Süden bereit.
Bei einem frischen NE-Wind legen wir am 25.05.89 in Skärbäk (DK) ab und segeln zügig nach Maasholm. In der Kieler Bucht segeln wir zwischen den Regattafeldern der Pfingst-buschregatta hindurch. Es ist ein faszinierendes Bild das sich uns bietet. Bei 5-6 Bft. haben die teilnehmenden Kameraden schwer zu kämpfen um sich gegen die unruhige See zu behaupten. In Kiel-Strande können wir an der Pier längsseits gehen und ausgebreitet liegen. Bei dem über 30 Knoten wehenden Wind liegt unser klappbarer Tri ruhig und sicher.

Am 31.05.89 können wir die Schleuse Kiel-Holtenau passieren und fahren unter Motor durch den NOK. Mehrmals können wir uns energiesparend, im Sog der überholenden Großschiffe mitziehen lassen. Über Nacht machen wir an der Weiche Dückerwisch fest. Um das ablauf-ende Wasser der Elbe nützen zu können, legen wir früh ab. Kaum haben wir die Schleuse Brunsbüttel bei leichtem Nebel passiert, schon geht die Post ab. Wir merken gleich, dies ist ein "anderes" Segelrevier ! Der Westwind weht stark und der gegen den Wind laufende Strom verursacht eine kurze, unangenehme Welle. Wir haben beide Segel gerefft und kreuzen am Rande des Fahrwassers mit guter Fahrt nach Cuxhaven. Mit uns kommen die Teilnehmer der "Rund Helgoland-Regatta" an und wir haben die Ehre, neben der stattlichen "Germania IV" zu liegen. Eine schadhafte Platine unseres Autopiloten hält uns für 3 Tage in Cuxhaven fest. Auch der mit 7 Bft. wehende SW-Wind hätte uns das Auslaufen aus der Elbe nicht erlaubt.

Am 05.06.89 können wir bei ENE-Wind und ablaufendem Wasser die Elbe verlassen. Wir segeln an der Südseite des grünen Tonnenstriches an den ostfriesischen und später an den niederländischen Inseln vorbei. Trotz der groben See und zweifacher Reffs in beiden Segeln, machen wir bei achterlichem Wind zwischen 8 und 11 Knoten Fahrt. Da laut der Vorhersage des DWD, der Wind nach SW drehen soll, werden wir keine Umwege durch die Watten-gebiete der Nordsee machen und laufen direkt einen holländischen Hafen an. Am späten Abend des zweiten Tages erreichen wir Ijmuiden. Es wird uns ein Platz neben dem zurück-gekehrten Whitbread Racer "Brunel Sunergy" zugewiesen. Daneben kommen wir uns recht klein vor. Nach einer heißen Dusche und einer warmen Mahlzeit sind die Nässe und die Kälte bald vergessen.
Der angekündigte SW-Wind ist da. Zunächst geht es flott gegenan. Der Wind legt mächtig zu. Wir kreuzen hoch am Wind, doch die kurzen, steilen Wellen, sowie die Strömung versetzen unser leichtes Boot erheblich und machen uns das Leben schwer. Später erkennen wir, dass wir zu sehr "gekniffen" haben. Bei solchen Bedingungen muss man einen Tri laufen lassen. Die vor der Hafeneinfahrt von Scheveningen wütenden Grundseen sind nur mit Motorhilfe zu überwinden. Wegen SW 7-9 und 3m Welle müssen wir hier vier Wartetage einlegen. Die ohnehin gedämpfte Stimmung wird durch den ständigen Regen und Kälte noch vertieft.

Am 12.06.89 dreht der Wind nach West. Wir legen ab und segeln durch die aufgewühlte See. Es ist wie Achterbahnfahren - nur nasser. Das breite Mündungsdelta der Westerschelde, mit dem dichten und schnell laufenden Großschiffsverkehr, können wir problemlos überqueren. In der Nacht bleiben wir draußen um die flämischen Sandbänke seewärts zu passieren. Dabei erfordern die vielen Fischerboote ständige Manöverbereitschaft. Im Morgengrauen erreichen wir Calais. Wegen Ebbe müssen wir an einer Warteboje im Arriere Port festmachen, bis sich zwei Stunden vor Hochwasser die Schleuse öffnet. Im überfüllten Yachthafen finden wir nur mit Mühe einen Platz im Päckchen, ganz außen.

Am 14.06.89 wird um 04,45 Uhr die Schleuse zur Ausfahrt geöffnet. Es regnet - die Sicht ist schlecht. Wir schalten den Radar-Aktiv-Reflektor ein und segeln am Rande des Fahrwassers um dem massiven Schiffsverkehr der schnellen Fähren und Containerschiffe nicht zu begegnen. Der Wind frischt stark auf und dreht immer mehr auf die Nase, so dass wir um uns von der Küste freizuhalten immer häufiger Holeschläge einlegen müssen. Die Wellen werden immer größer, die Kämme brechen sich - überall Schaum und Gischt. Bei dem auflandigen Starkwind, dem Gezeitenstand und der schlechten Sicht ist eine Ansteuerung der nächsten Häfen nicht zu verantworten. Gegen Mittag geht der Wind auf 35 Knoten, und wir gegenan !
Die Seen werden noch gröber und turbulenter - teilweise überspülen die Brecher das Schiff. Ich bekomme kaum noch Luft und wünsche mir eine Taucherbrille mit Schnorchel. Obwohl wir gute Fahrt durchs Wasser machen, kommen wir wegen der Gegenströmung nur wenig über Grund voran. Gelegentlich wird das Schiff bedenklich angehoben, so dass ich unter dem Luvschwimmer hindurch den verhangenen Himmel sehe. Doch es ist phantastisch wie sich unsere "allez hop" verhält. Sobald wir ein paar Grad abfallen, spurtet der Tri los. Dann mit Speed etwas anluven und er klettert fast mühelos die jetzt 4 Meter hohen Berge hinauf. Auch wenn Rumpf und Leeschwimmer gelegentlich U-Boot spielen, das Schiff taucht sofort wieder auf und die Fahrt wird nur kurz vermindert. Am späten Nachmittag hört der Regen auf und die Sonne macht das Leben leichter. Über 14 Stunden habe ich ununterbrochen am Ruder gestanden ! Nass, gut gekühlt und mit zittrigen Knien, laufen wir bei Niedrigwasser in Dieppe ein und machen an einem Schwimmsteg fest. Wir haben Springzeit - und die Tidenhöhe von 14 Meter zeigt uns, dass der Ärmelkanal von den Gezeiten beherrscht wird. Hier bedeutet Navigation mehr, als nur ein Boot in die richtige Richtung zu steuern !

Mit ablaufendem Wasser verlassen wir am 16.06.89 das reizvolle Dieppe Der Wind ist frisch und kommt natürlich von vorne. Die geringe Wassertiefe beschert uns eine kurze, ruppige und schnell brechende See. Plötzlich geht ein Ruck durchs Großsegel - die Leine für das 1.Reff ist gerissen. Wegen der 22 Knoten Wind setzen wir notgedrungen das 2. Reff. Doch der Versatz durch Wellen und Strömung ist erheblich - offenbar haben wir zu wenig Segelfläche. Es wird eine lange Kreuz. Erst als der Wind etwas nachlässt und wir das volle Groß fahren können, geht es wieder zügig nach Luv. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit der vor der Hafen-einfahrt stehenden Querströmung und Grundseen, machen wir am Schwimmsteg von Fecamp fest. Der Hafenmeister kassiert die Gebühren - schließt Duschen und WC ab und geht. Die folgenden Etappen nach Le Havre und Cherbourg sind Anliegekurse bei mäßigem Wind.

Die Gezeitenströme ums Cap de la Hague gelten als die härtesten des Kanals. Mit Respekt legen wir früh, mit dem W-setzenden Strom in Cherbourg ab und werden wie von Geisterhand zum "Cap Hag" geschoben. Die aufeinander treffenden Strömungen und ver-schiedenen Wellensysteme erzeugen eine turbulent verwirbelte, brodelnde und unheimliche See. Es ist als reite man ungesattelt einen wilden Mustang ! Obwohl wir gebührend Abstand halten, wirkt der auf einem Fels stehende Leuchtturm Gros du Raz wie ein Magnet. Doch der leicht auffrischende SE-Wind beschert uns gute Fahrt, so dass wir den Sog aussegeln und mit 8-9 Knoten Speed und 8 Knoten mitlaufendem Strom - also mit über 16 Knoten Fahrt über Grund - durch das Race of Alderney galoppieren. Und das bei strahlender Sonne, wir sind "happy"! Nach einem kurzen Zwischenstopp am Warteponton von St. Peter Port, können wir an einem Schwimmsteg der Victoria Marina längsgehen. Wir legen einen Hafentag ein, um die entspannte Atmosphäre von Guernsey und das vom Golfstrom verwöhnte Klima zu genießen. Beeindruckt hat uns vor allem, die artenreiche Vegetation der Kanalinseln.

Am 21.06.89 passieren wir um 05,30 Uhr bei Hochwasser die Hafenschwelle, klappen unsere Schwimmer aus und setzen die Segel. Bei Regen und dickem Nebel segeln wir ...gegenan. Mit zwei Holeschlägen halten wir uns von der SE-Ecke von Guernsey frei. Wie uns eine parallel segelnde Yacht mittelt, reflektiert unser "Ocean-Sentry" auch in einer Distanz von 12 Seemeilen ein deutliches Signal. Das gibt uns eine gewisse Sicherheit, dass wir auch bei schlechter Sicht wahrgenommen werden. Allmählich wird die Sicht besser und wir nehmen fünf weit voraus segelnde Yachten ins Visier. Unser Regatta-Virus wird aktiv, wir lassen "allez hop" laufen und kommen auf Am-Wind-Kurs der Gruppe immer näher. Auf Höhe der Roches Douvres haben wir alle hinter uns. Mit guter Fahrt nähern wir uns der Bretagne. Die uns nachfolgenden Yachten werden immer kleiner und verschwinden allmählich am Horizont. Bei auflaufendem Wasser segeln wir in die Mündung des Rivere de Pontrieux. Eine mäßige Brise bei glattem Wasser führt uns viel zu schnell durch den idyllischen Fluss zu dem 5 SM entfernten Lezardrieux, wo wir am Kopf eines Schlengels eine Bleibe finden.

Am 23.06.89 legen wir früh ab. Es ist wieder nasskaltes Ölzeugwetter und der Wind kommt wie üblich von vorn. Wir sind beunruhigt, denn die Kompassangaben des Autopiloten spielen verrückt. Um uns von den von den vorgelagerten Inseln und Untiefen frei zu halten, bleiben wir weit draußen. Da die Häfen dieser Gegend tidenabhängig sind, muss die Ansteuerung sorgsam geplant werden. Dem gemäß laufen wir den Hafen von Roscoff - der vollständig trocken fällt - zwei Stunden vor Hochwasser an. Die Ansteuerung ist knifflig und erfordert höchste Konzentration. Nachdem wir an einer Boje ausgebreitet festgemacht haben, versuche ich die Unstimmigkeiten des Piloten zu klären. Die Lösung des Problems ist einfach: Elo meine Frau hatte nach dem Einkauf in Lezardrieux alle Dosenvorräte im Stampfzentrum des Bootes verstaut, nicht wissend dass sich hinter einer Holzplatte der Fluxgate-Kompass des Autopiloten befindet. In der Nacht liegt unser Tri, mit angehobenem Schwert und Ruder, breit und sicher im Schlick, während die anderen Schiffe sich an die Kaimauer lehnen oder sich wie Invaliden sich mit Stelzen abstützen. Das Hochwasser bestimmt den Zeitplan des Ablegens. Der Wind ist frisch und kommt aus SW. Wir hangeln uns um die vielen Untiefen herum und halten uns von der bretonischen Küste fern. Nach etwas über vier Stunden haben wir 38 SM hinter uns und tasten uns im Nebel durch den von Riffs umsäumten Grand Chenal de L`Abervrac`h den Fluss hinauf um am am Schwimmsteg des Port de Plaisance de L`Abervrac´h festzumachen.

Für eine Fahrt über die BISKAYA muss eine gute Wettervorhersage abgewartet werden ! Eine Abfahrt bei SW-Wind - der durch Tiefdruckgebiete über dem Nordatlantik hervorgerufen wird - ist nicht sinnvoll. Sobald das Tief durchgezogen ist, kann W bis NW Wind erwartet werden, der genügend Zeit für eine Überquerung lässt. Da laut Vorhersage für die nächsten Tage SW-Wind 7-8 Bft. angesagt sind, richten wir uns auf einige Wartetage ein. Obwohl wir die Zeit für Instandhaltungsarbeiten und Spaziergänge nützen, ist die Stimmung gedrückt, wozu auch der permanente Regen beiträgt. Endlich, am Nachmittag des dritten Tages wird für die Nacht eine Winddrehung nach West angekündigt. Am Abend des 27.06.89 legen wir ab. Um die gefürchteten Seen und Strom-kabbelungen vor der bretonischen Westecke zu meiden, werden wir die Ile de Quessant seewärts runden. Die wechselnden Strömungen, die Verkehrstrennungsgebiete mit regem Schiffsverkehr sowie die vielen Fischerboote innerhalb der Inshore-Traffic-Zone machen das Kreuzen aufregend und schwierig. Zum Glück ist trotz tiefer Dunkelheit die Sicht besser geworden. Im Laufe der Nacht stellt sich die erwartete W-Winddrehung ein. Die abrupten Übergänge von geringer zu großer Wassertiefe verursachen schon bei einem mäßigem Sturm eine extrem grobe See. Einige Wochen zuvor sind hier zwei Fischerboote mit Besatzung in 12 Meter hohen Wellen verloren gegangen. Doch wir haben es gut abgepasst. Der Wind dreht über NW - N und ist moderat. Die Wellen sind angenehm lang. Am zweiten Tag kommt auch der Motor zeitweise zum Einsatz und verbessert unsere Energiebilanz. Die Nächte sind recht kalt. Unsere Wachen sind im 3 Stunden Rhythmus eingeteilt. Der Schiffsverkehr läuft parallel, etwa 5 SM westlicher von uns. Mehrfach werden wir von Delphinschulen begleitet. Die Attraktion sind jedoch zwei etwa 8 Meter lange Schwertwale, die in unmittelbarer Nähe von uns akrobatische Luftsprünge vollführen. Auf der Höhe von Cabo Torinana wird der Wind stark und raumt immer mehr. Bei 12-13 Knoten Fahrt sprinten wir mit den Wellen um die Wette. An Cabo Finisterre und Cabo Corrubedo rauschen wir geschwind vorbei. Schließlich tasten wir uns durch den von Fischerbooten stark frequentierten Canal del Norte in den Rio del Vigo. Nach 75 Stunden Fahrzeit und einer Strecke von 540 SM machen wir im "Real Club Nautico" im Hafen von Vigo fest.

Mit einer mäßigen Brise erreichen wir am 03.07.89 den Porto Atlantico Leixoes. Am nächsten Tag leisten wir uns einen Landausflug in das Tal des Duero mit seinen weltbekannten Weinbergen und ein Bummel durch die verwinkelten Gassen von Porto der zweitgrößten Stadt Portugals.

Die Weiterfahrt beginnt grau und nebelverhangen. Als dann die Sonne durchkommt, zeigt sich eine unwirtliche, schroffe und sturmgegerbte Küste. Kurz nach Hochwasser erreichen wir Figueira da Foz. Wegen Starkwind aus SSW müssen wir einen Tag pausieren. Dann zeigt uns der "portugiesische Norder" seine Kraft und schiebt uns zügig gen Süden. Zwischen Cabo Caroeiro und Illha Berlenga schießen wir mit mehr als 14 Knoten die 3 Meter hohen Wellen bergab. Kritisch wird es, wenn beim Surf eine kleinere, steile Welle überholt wird. Das starke Anluven des Bootes, muss durch ein schnelles Schotfieren unterdrückt werden. Es ist atem-beraubend und faszinierend in ein solches Naturschauspiel eingebunden zu sein. Glücklich und erleichtert machen wir im Hafen von Peniche fest. Der freundliche Hafenmeister ist von unserem Tri begeistert und fotografiert ihn von allen Seiten.

Nach einer unruhigen, vom Schwell gestörten Nacht, ziehen wir bei einem frischen NW Weiter. Am mächtigen Cabo da Roca wird der Wind stark. Mit hoher Fahrt erreichen wir das flache Cabo Raso. Urplötzlich wird unser Boot nach vorn katapultiert und droht in den Wind zu schießen - durch blitzschnelles Abfallen wird der entstandene Segeldruck in Vortrieb umgesetzt. So brausen wir mit mehr als 17 Knoten Fahrt der Mündung des Tejo entgegen. Am Rande des Fahrwassers nach Lisboa, dem bedeutendsten Hafen von Portugals, nehmen wir frühzeitig die Segel weg, um zwischen den Fischernetzen und Bojen einerseits und der Großschifffahrt andererseits unseres Weges zu ziehen. Vorbei am Torre de Belém finden wir nahe dem Denkmal von "Heinrich dem Seefahrer" in der Doca de Belém einen freien Platz. Hier ist die Bürokratie besonders heftig. Nach dem Ausfüllen von mehreren Formularen, dem Kopieren aller Schiffs- und Personalpapiere, dem Entrichten der Hafengebühren und der Hinterlegung einer Kaution von 1000 Esc.(100DM) bekommen wir eine Magnetkarte mit der wir den Marinazugang betätigen dürfen. Leider sind Wasser, Strom, Duschen und WC für uns als Gäste nicht verfügbar. Am folgenden Tag besuchen wir die Weltausstellung "Expo 98". Bewundern die imposanten Plätze von Lissabon, seine unzähligen Kirchen, sein noch mittelalterliches Gassenlabyrinth, das terrassenförmige - weißgraue Häusermeer, die schattigen Promenaden und die einmalige Atmosphäre. Selbst die Pflastersteine sind vielerorts mit eindrucksvollen Mosaiken verziert.

Am Morgen des 10.07.89 nutzen wir den mitlaufenden Strom um den Tejo wieder zu verlassen. Sehr schnell haben wir Forte Bugio erreicht und steuern Cabo Espichel an. Fliegende Fische queren unseren Weg und Delphine scheinen uns zum Zweikampf aufzufordern. Es wird endlich warm - zum ersten Mal in sechs Wochen können wir den dicken Overall und den Faserpelz ablegen. Hier ist wirklich Sommer. Eine gute achterliche Brise in strahlendem Sonnenschein macht das Segeln zum Genuss. Nach guter Fahrt erreichen wir Sines, wo wir am Schwimmsteg festmachen. Hier ist man wieder hilfsbereit, freundlich und weniger umständlich. Wir werden in der Geburtsstadt von "Vasco da Gama" einen Ruhetag einlegen und unseren blassen Body etwas an das milde Klima gewöhnen.

Vor Sonnenaufgang legen wir ab und segeln mit schwachem NW- Wind in ruhiger See der Südwestecke Europas entgegen. Gegen Mittag frischt der Wind immer mehr auf. Wir machen gute Fahrt und umrunden mit respektablem Abstand, in langen Wellenformationen das Cabo de sao Vicente.An diesem markanten Leuchtturm führt der gesamte Schiffsverkehr zwischen Mittelmeer und Nordatlantik vorbei. In Rauschefahrt surfen wir um Europas südwestlichsten Punkt der Ponda da Sagres. Hier hatte im 15. Jahrhundert Heinrich der Seefahrer seine Entdeckungsfahrten geplant. Durch herrlich klares, grün-blaues Wasser gleiten wir um die von Wind und See geprägte Landzunge Ponda da Piedade. Vor der Mündung des Flusses Bensafrim bergen wir die Segel und laufen bei Hochwasser in die am Ostufer der Lagune gelegene Marina von Lagos ein. Nach dem üblichen Procedere bekommen wir im modernsten Yachthafen Portugals einen Platz zugewiesen. Vom Vorbild der hier agierenden berühmten Seefahrer angeregt, begeben wir uns auf dem Landwege zur eigenen Entdeckung der ALGARVE. Von der zerklüfteten Küste mit den reizvollen Buchten und Stränden, fahren wir durch herrliche Wälder zum Gipfel der Algarve der Serra de Monchique, besuchen die Ruinen von Silves und beschließen einen unvergess-lichen Tag im freundlichen Lagos.

Wegen der Öffungszeiten der Marina-Klappbrücke können wir erst nach 09 Uhr starten. Zunächst weht es mäßig aus NNW, später dreht der Wind nach SSW und frischt stark auf. Besonders angenehm empfinden wir das warme, flache Wasser. Bei guter Fahrt sind wir schneller als erwartet vor der Cabo de Santa Maria, der Einfahrt nach Faro. Um nicht bis zu der für fürs Einlaufen nötigen halben Flut warten zu müssen, segeln wir mit rasanter Fahrt weiter bis zum Rio Guadiana, dem Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien. Mit auflaufendem Wasser erreichen wir den flussaufwärts gelegenen Fischerhafen Vila Real de Santo Antonio. Das Anlegen an den Schwimmstegen wird hier durch starke Querströmungen und Strudel erschwert. Später laufen zwei, von uns überholte, englische Yachten an. Spontan kommen die Segler an unser Boot und äußern sich begeistert über die Segeleigenschaften unserer Dragonfly.

Am 15.07.98 können wir wegen der hinterlegten Kaution von 500 Esc. erst verspätet, doch gerade noch mit dem Strom ablegen. Zunächst geben wir dem Motor die Ehre, später setzt SSE-Wind ein und wir kreuzen der Bahia de Cadiz entgegen. Schließlich dreht der Wind nach rechts und wir können - im Slalom um einige Fischerboote - das Tagesziel anliegen. Mit dem letzten Büchsenlicht machen wir an einem Schwimmsteg von Puerto Sherry fest. Am nächsten Tag genießen wir unser erstes Bad im Atlantik. Danach sind wir gefangen vom Reiz der Fiesta "Virgen del Carmen". Die Prozession wird von einem bunt geschmückten, menschenüberfüllten Fischerboot - mit der hölzernen Schutzpatronin der Fischer an Bord angeführt. Unter ohrenbetäubendem Lärm von Sirenen, Hupen und
Gesängen, folgen viele über Top geflaggte Fischer-, Segel- und Motorboote dem Leitboot auf die See. Nach der Rückkehr der Flotte wird für die auf See gebliebenen Fischer gebetet und Bittgesänge für den künftigen Schutz auf See abgehalten.

Am 17.07.98 ziehen wir weiter. Die Windvorhersage für die Bucht von Cadiz lautet NE 3-4 . Als sich gegen 11 Uhr eine starke südöstliche Dünung einstellt, konsultiere ich nach mal unser "Fastnet-Radio" und bekomme eine Navtexmeldung von 09 UTC für das Gebiet Tarifa/Trafalgar, die E-Wind 7-8 ankündigt. Zunächst lässt der Wind nach und dreht nach SE. Der Barometerstand ist unverändert. Wir können 167° später 180° anliegen - damit können wir uns von den Bänken vor Cabo Trafalgar freihalten. Inzwischen hat der Wind stark zugelegt und es baut sich eine mächtige Welle auf. Wir reffen die Segel zweifach, verriegeln alle Luken, Backskisten, Schränke..., verstauen alle Gerätschaften, schalten den Aktiv-Radar-Reflektor ein und schnallen uns fest. Obwohl der Wind zwischen 30 und 35 Knoten weht - in Böen bis 40 - segeln wir entschlossen vorwärts. Um nicht in der nächsten größeren Welle abgebremst zu werden, versuchen wir die Fahrt der Beschaffenheit der See anzupassen und manöverieren uns in Schlangenlinien durch die aufgetürmten Wellenberge. Da unser Tri prompt auf das Wellenprofil reagiert, sind die Bootsbewegungen in der groben See kurz und hart. Von fliegendem Wasser und Gischt umgeben, wird es recht kalt. Doch das Überziehen einer Jacke ist zu riskant und nicht möglich. Einige auf Gegenkurs befindliche Großschiffe zwingen uns zum Abfallen - was beängstigende Geschwindigkeiten zur Folge hat. Andere nehmen Rücksicht auf uns und ändern frühzeitig ihren Kurs. 16 SM südwestlich von Cabo Trafalgar haben wir genügend Überhöhe um die Einfahrt für den Hafen von Barbate ansteuern zu können. Doch der Strom läuft quer und schiebt uns in Richtung Kap. Einige Befreiungsschläge in der brutalen See bringen uns wieder in den sicheren Bereich. Da bei diesen Seebedingungen ein hartes Wenden das Boot zum Stehen bringen würde, wird jede Wende "gesegelt"; das heißt mit guter Fahrt langsam anluven, damit lange die Strömung an den Segeln und damit der Vortrieb erhalten bleibt. Endlich liegt die Hafen-einfahrt voraus ... da, ein Schuß ! Was ist los ? Beim Näherkommen kann ich durch meine salzverkrustete Brille erkennen, dass zwischen einigen offenbar verankerten Booten eine lange Bojenkette ausgelegt ist - ein Thunfischnetz liegt quer vor der Hafeneinfahrt ! Fluchend müssen wir mehrere Meilen bis zum Netzende aufkreuzen. Nach diesem Umweg machen wir nass, salzig und erschöpft im Puerto de Andalucia von Barbate fest. Dass dieses Seerevier tückisch ist, hatte schon Nelson erfahren; der nach dem Sieg in der Seeschlacht vor Trafalgar, auf dem Rückweg nach Gibraltar in einem Oststurm fast seine Flotte verloren hätte. Weil der starke Levante (Ostwind) bestehen bleibt, legen wir einen Hafentag ein. In Barbate findet heute eine Fiesta statt. Die Straßen und Häuser sind festlich mit Blumen und Lichter-ketten geschmückt. Laute Musik, ein exotischer Basar, viele dunkelhäutige Menschen mit afrikanischem Flair machen die Nähe des schwarzen Kontinents deutlich. Auch im Hafen treffen wir einige exotische Typen. So lernen wir Ernst, den Dänen kennen, der seit sieben Jahren auf seinem Kat lebt und eine Meerjungfrau sucht. Auch Jan van Gent, den Aussteiger der nach Madeira will und mit einer alten Singer-Nähmaschine seine Segel repariert. Beide haben viel zu erzählen.

Am 19.08.98 legen wir bei leichtem WSW-Wind ab. Zunächst muss unser "Volvo" arbeiten. Vor Tarifa - unserem südlichsten Reisepunkt - kommt ein ständig zunehmender ENE auf. Eine parallel segelnde französische Regattayacht fordert uns zu einem Match Race auf. Wir nehmen dankend an und so duellieren wir uns auf der Kreuz nach Gibraltar. Obwohl unser Gegner sehr hoch läuft und die gesamte Mannschaft auf der hohen Kante ausreitet, können wir dank unserer höheren Geschwindigkeit einen klaren Vorsprung heraussegeln. Erst als in der Bahia de Algeciras der Wind nachlässt, macht sich die größere Segelfläche der Franzosen bemerkbar und der Abstand wird etwas kleiner. Dennoch erreichen wir als erste die britische Kolonie Gibraltar - wo wir in der Queensway-Marina an Mooring und Schwimmsteg festmachen. Hier begrüßt uns der Eigner einer "Swan 42" dem wir auf See mehrfach begegnet sind. Er bezeichnet sich als "Dragonfly Fan" und hilft uns mit seinen Orts- und Sprachkenntnissen.

Am nächsten Tag verlassen wir den Atlantik - runden den EUROPA POINT - und sind im Mittelmeer ! Mit einer achterlichen Vollzeugbrise, machen wir gute Fahrt. Eine umfangreiche Delphinschule begleitet uns und bietet eine seltene Show. Sie spielen mit unserm Boot. Tauchen unter den Schwimmern durch, kreuzen vor dem Bug, springen synchron in Gruppen, schwimmen in Rückenlage und grinsen uns an. Wenn ab und zu eine Böe einfällt und unser Tri von 10 auf 12 Knoten beschleunigt, sind sie kurz überrascht ... geben Gas und nehmen den Wettkampf wieder auf. Offenbar macht es ihnen genau so viel Spaß wie uns. Einige Male segeln wir an runden Gegenständen vorbei, die plötzlich den Kopf heben und sich als Schildkröten zu erkennen geben. Viel zu schnell sind wir - mit einem Schnitt von 9 Knoten Fahrt - in Marbella, wo wir im idyllischen Stadthafen nach einem schwierigen Anlege-manöver festmachen. Die wunderschöne, gepflegte Altstadt besteht aus einem Wirrwarr enger Gassen und winziger Plätze. Der Stadtkern lässt sowohl maurische als auch christliche Ursprünge erkennen. Alles wird umrahmt von üppigem Grün, farbenträchtigen Bougainvillas und vielen bunten Blumen. Auf der "Plaza de Los Naranjos" speisen wir unter Orangenbäumen, trinken einen guten Rioja und bewundern den klaren Sternenhimmel.

Am 21.07.98 segeln wir bei frischen bis starken westlichen Winden die andalusische Küste entlang. In der Marina del Este finden wie einen hinter Felsen gut geschützten, idyllischen Privathafen. Von hier aus wollen wir mit einem Mietwagen ein Stück Andalusien erkunden. Wegen der extremen Hitze sind hier die Häuser mit Kalk geweißelt und weiträumig in der gebirgigen Landschaft verteilt. Um uns etwas abzukühlen, packen wir unser Hab und Gut in Kofferraum, stellen den Wagen auf einen strandnahen Parkplatz und springen ins Wasser. Kurz darauf kehren zurück und finden das Auto ... total ausgeräumt ! Der Schaden ist beträchtlich (Fotoausrüstung, Pässe, Führerscheine, Kreditkarten, 2000DM, Uhren, alle Kleider und Schuhe...). Dank der Kaution, die wir nach der Schlüsselrückgabe zurück bekommen, können wir gerade noch das Hafengeld bezahlen.

Am nächsten Tag sorgt eine leichte Brise für eine geruhsame Fahrt, die wir für anstehende Reparaturen nützen. Wieder werden wir von Delphinen begleitet, begegnen mehreren Schildkröten und sehen einen Schwertfisch in großen Sprüngen an uns vorbei toben. In der riesigen, halbvollen Marina de Almerimar können wir längsseits festmachen.

Die nächsten Etappen sind der reizvolle Fischerhafen Garrucha - einen schöne Ankerbucht im Golf de Mazzaron - und ein ruhiges, kuscheliges Häfchen am Cap Roig. Im mäßig belegten Hafen von Alicante, versucht man uns mächtig abzuzocken. Wir sollen den vierfachen Preis für unseren Liegeplatz bezahlen. Da nicht einzusehen ist, dass das Hafengeld für unseren Swing-Wing Trimaran (10 x 3,80m) mehr kosten soll, als eine Mega Motoryacht (20 x 6m), legen wir verärgert ab und fahren weiter. In der sehr gepflegten Marina von Campello finden wir dagegen freundliche Leute, normale Preise und einen guten Liegeplatz.

Am 28.07.98 überqueren wir den Nullmeridian von West nach Ost und kreuzen bei einer mäßigen Brise nach Morayra. Eine Marina die wohl nur für Motorboote gebaut wurde. Segelboote mit niedrigem Freibord, können hier nur im Päckchen liegen.

Am 30.07.98 verlassen wir die spanische Küste und segeln bei einem frischen SSE-Wind mit flottem Tempo nach FORMENTERA, der südlichsten Baleareninsel. In der traumhaft schönen Bucht von Sabina fällt unser Anker in das türkisfarbene, kristallklare Wasser. Die Wassertemperatur beträgt 26°, die Lufttemperatur 30°C. An der flachen Insel Espalmador vorbei, kreuzen wir zur nahegelegenen Insel IBIZA und machen im sauberen Puerta Santa Eulalia fest.

Am 1.08.98 ziehen wir bei schwachen bis mäßigen, westlichen Winden nach MALLORCA Weiter. In unserem Bemühen für einige Monate einen Liegeplatz zu finden, klappern wir mehrere Häfen ab - doch Fehlanzeige. Alles ist überfüllt. Lediglich in Sa Rapita stellt man uns einen Landliegeplatz in Aussicht. Allerdings befindet sich der Travellerlift zur Zeit in Reparatur. Wohlwollend gewährt man uns am Kopf eines Steges vorübergehend Asyl.

Eleonore + Willy Dumont


Inhalt