"Flußnomaden" März 04

von Traudl Filgis

Mit der Iroquois Fun Too segelten wir im Herbst 2003 von Südschweden nach Travemünde, legten den Masten und wurden als Motorboot zu Flußnomaden. Wir überquerten Elbe und Ems, fuhren den Rhein hoch zur Lorelei und vorbei an Mainz, wo wir vor sieben Jahren von eben dieser Strecke abbogen, um auf der Donau ins Schwarze Meer zu gelangen. Diesmal motoren wir den Rhein weiter, vorbei an Iffizheim, Europas größtem Wildpass, der Wildfischtreppe, wo der Rheinlachs Dank menschlicher Hilfe wieder heimisch ist, bis km 185 Niffen und bogen ein in den Canal du Rhone au Rhin, das Tor zur 4elt der Binnengewässer. Von Niffen bis Mulhouse verläuft die schiffbare Strecke im früheren Krembs-bliffer-Zw~"igkanal, der für 1350 t Schiffe ausgebaut ist. In Mulhouse hat Fun Too überwintert bei der Werft Chantier Naval de Ile Napoleon, Tel. 03 89 61 85 30. Der Landplatz kostete mtl. 150.-Euro plus 220,-- Euro fürs Kranen. Hierzu hatten wir keine andere Alternative, wegen Schleusenreparatur bis 5.1.04. Der Canal du Rhone au Rhin gehört zu den wichtigsten frz. Wasserstraßen, die eine Wasserscheide queren. Er ist ein Weg zum Mittelmeer, als auch ein eigenständiges Bootsrevier. Die Verbindung zwischen dem Oberrhein und der Saone hat eine Länge von 237 km. Die Lastkähne dürfen nur 38,5 Meter lang sein. Es ist Mitte März. Bis auf 500 Meter geht die Schneegrenze in den Vogesen und im Schwarzwald runter, die Gipfel sind weiss. -Es hat nur 4-6 C und es -pfeift ein eisiges Lüftchen. Wir wollen durch viele enge Schleusen und einige Tunnels über Doubs, Saone und Rhone ins Mittelmeer fahren. Der Kran hebt Fun Too ins Wasser. Wir sind bereit, das Innere Galliens zu erobern und schleusen uns ins frz. Binnenwassersystem ein, auf mildere Temperaturen hoffend. Die erste Station ist das alte Hafenbecken beim Bahnhof im Zentrum von Mulhouse. Die erste Nacht kostet 7,-- Euro plus 2.-- Euro Strom, die beiden darauffolgenden Nächte sind dann frei. Man dankt! Als Navigationsmaterial erstehen wir Hefte vom Guid Vagnon Vlg, in Teilabschnitten. Beim VNF= Voiles Navigables de France, Rue d 1 Este 14, kaufen wir eine Vignette, Zeitdauer 16 Tage, Preis 50,50 Euro. Es ist der Wegezoll für frz. binnengewässer. Am Ende der Reise werden es wegen des schlechten Wetters ein Paar Tage mehr werden, wir werden nur anfangs in den kleinen Schleusen kontrolliert, später in den Rhoneschleusen hat kein Mensch mehr Zeit dazu, also keine Kontrollen. Mulhouse entstand an einem Ort, der oft überschwemmt war. Der bau einer Mühle legte den Grundstein der Stadt, das Mühlenhaus stand Pate bei der Namensgabe. Mulhouse war im 18/19 J. das frz. Manchester mit 26 Stoffherstellungs- und Stoffdruck-Manufakturen und zählte zu den blühendsten Städten Frankreichs. Prunkvolle Schloßvillen aus dieser Zeit sind immer noch ein großartiger Anblick. Wir stehen am Platz Reunion, dem Herzen der Stadt, wo Härkte und Festlichkeiten stattfinden. Das 1552 erbaute Rathaus "ganz in Gold", ist das Kleinod von Mulhouse. Die Stephanskirche umgeben im Halbkreis historische Herrschaftshäuser. Sie sind Zeuge des einstigen Reichtums der Industriellen. Diese Häuser mit geschmückten, wunderschönen Fassaden durften nur mit einer Breite von 5 Metern gebaut werden. Für uns ist der Besuch des Automobil-Museums ein interressantes Erlebnis.

Vom 27. auf 28. März werden die Uhren eine Stunde vorgestellt auf Sommerzeit. Die Morgensonne kommt mit wärmenden Strahlen der von den Schneewipfeln streichende Wind macht das wohlig aufkommende Gefühl aber wieder zu nichte. Vereinzelt blühen schon Aurikel, Zwergtulpen und Osterglocken, die Forsythien leuchten grellgelb an den Büschen, die Knospen sind zum Platzen angeschwollen oder tragen schon kleine Blätter. Und auch die Vögel haben es ganz wichtig, stecken vielstimmig zwitschernd ihre Reviere ab. Die Natur ist voller Energie und im Aufbruch. Genau wie wir. Schleusen: Man kann sie mit einem Aufzug vergleichen. Die Kammer wird immer dem Niveau angepaßt, also geleert oder aufgefüllt, je nach dem, ob man rauf- oder runterfahren will. Das ges-chieht immer mit Hilfe von Schleusentoren. In der Saone werden die meisten Schleusen automatisiert zur Selbstbedienung. Sie werden durch einen Sender instandgesetzt, gleich einer TV-Selbstbedienung, den man von der VNF geliehen bekommt gegen eine Unterschrift und wer ihn in den Bach fallen läßt, oder aus Wut in denselben wirft, ist Euro 350,-- los. Denn die Automatik hat so ihre Tücken und man ist ihr hilflos ausgeliefert. Es ist immer wieder spannend, wie schnell oder mit Verzögerung man erfaßt wird und ein weißes Signal zu blinken beginnt. Rot bedeutet Stillstand, ein weißes Flackern dazu, daß am Wasserniveau und den Toren gearbeitet wird. Bei rot-grün geschieht dann das "Sesam öffne dich" in Wartestellung und bei grün und zwar NUR bei grün, darf eingefahren werden. Und wenn die Uhr 12,30 - 13,30 zeigt, bleibt die Automatik wirkungslos, weil das Begleitpersonal, das am Treidelpfad mitfolgt, dann Mittagspause hat und das bedeutet "ferme" für die Schleusen. Wenn aber alles klappt, befindet sich in der Kammer am Schleusenrand eine blaue Stange, die man hochschiebt, es ertönt ein Signalton und voila, die Schleusung erfolgt.

Sonntag, 28.3. Sonntagswetter! Wie telefonisch angemeldet, stehen wir Punkt 09 Uhr vor der Schleuse von Mulhouse. Wir fahren eine Kanalstrecke mit 22 Schleusen bergauf samt 2 Zugbrücken. Die Abstände zwischen den Schleusungen sind so gering, daß ich feststelle "nicht mal nen Apfel kann man in Ruhe essen". Replik "Du, mußt halt schneller kauen". Ja, es bleibt kaum Zeit zum Pinkeln. Vor der Klappbrücke müssen wir beigedreht 15 Hin. warten. Drei Mechaniker bemühen sich um die electrique. In Ufernähe tanzen Eintagsfliegen übermütig ihr rasantes Leben in der Sonne rauf und runter. Bei den Schleusungen werden wir verwöhnt vom mitfolgenden freundlichen -Begleitdienst, denn die meisten Tore werden von ihnen von Hand bedient, auch die Festmacher werden entgegengenommen. Alles ist hervorragend organisiert. Mein Käpten bekommt allmählich ein sicheres Gefühl beim Durchfahren der 5,1 m breiten Schleusentore. Fun Too hat eine Breite von 4,1 m. Dazu beidseitig dicke Fender, da bleibt nur eine handbreit Zwischenreum. .Allmählich wärmt die Sonne. Schöön! Auf dem parallel mit dem Kanal laufenden Treidelweg herrscht reger Sonntagsverkehr: Spaziergänger mit oder ohne Hund oder Kinderwagen, Radfahrer, Inline-Scater. Eine Stunde Mittagspause und Crewwechsel beim VNF-Personal, dann geht es weiter. Während das Wasser durch die unteren Kammern hereingedrückt wird, nimmt es eine weiße schäumende Konsistens an. Wie geschlagene Sahne mit Häubchen sieht das mit Phosphat verunreinigte Becken dann aus. Wieder einmal. Es kommt ja kaum Frischwasser in diesem Kanalabschnitt hinzu. Die Dörfer des Sundgau sind idyllisch, gepflegt, dazu ausgedehnte Äcker und ländliche Umgebung. Noch kahle Laubbäume entlang des Kanals. Majestätisch fliegen Graureiher vor uns her, Schwäne paddeln, ein Bussard flattert über seinem Opfer. Die Enten gibt es immer paarweise. Die Sonnenstrahlen spielen in den metallisch glänzenden Federn der Erpel. Das Federkleid der Enten ist braunweiß unscheinbar esprenkelt, fließt mit den Konturen der Umgebung zusammen und gibt Schutz vor hungrigen Feinden beim Brüten. Schnatternd paddeln sie vom Ufer, genau vor das Boot, schlagen dann das Wasser mit den Flügeln und retten sich fliegend über das andere Ufer gen Himmel. Um 16.30 Uhr machen wir in der kleinen Marina Wolfersdorf/Dannemarie fest. Euro 10,-- all incl. Beim Füße vertreten bewundern wir viele Fachwerkhäuser, das älteste wurde 1550 erbaut. Der Morgen beginnt mit Frost und Rauhreif. Jeder Schritt auf Fun Too ist eine Rutschpartie. Der klare Himmel und die Höhe machen sich bemerkbar. Es beginnt eine malerische Klettertour weiter bergauf. Die "Treppe" hat 13 Schleusen auf eine Länge, von 2,7 km und überwindet eine Gesamthöhe von 32,3 Metern. Das Begleitpersonal muß hart arbeiten. Respekt! Die Wasserscheide bei VIEUX, zwischen dem Rhein und der Saone liegt bei 340 m. Um es mit Hildegard Knef zu sagen: von nun an gings bergab. Die Landschaft bleibt unverändert. Es ist sehr windig bei 10 Grad. An den Ufern wird repariert und die sehr undichten Schleusentore hätten's auch nötig. Eine Schleuse ist dadurch so randvoll, so daß die Fender aufschwimmen und keinen Schutz mehr bieten zwischen Steinwand und Bootsrumpf. Oberhalb Schleuse Nr. 9 kommt eine heikle linkswinklige Krümmung und es geht der Zweigkanal nach Belfort weg.Unmittelbar nach der Kurve fahren wir über eine Kanalbrücke die das breite Tal des Allan überspannt. Eine Peniche (Lastkahn) ist auf Gegenkurs. Spannend, spannend! Die Kapitäne der Frachtschiffe müssen, wie auch der Käpten von Fun Too , in den engen Fahrwassern, Schleusen, Brücken und Durchfahrten Maßarbeit leisten. Einem 7 Meter langen Motorboot hinter uns reißt in der Krümmung sogar ein Fender ab, weil es "die Kurve" nicht richtig kriegte, und das mit zwei Motoren!! Um 16,30 Uhr sind wir nach 25 Schleusungen in Port Bourgosne Montbeliard. Im Hafen ist alles abgeschlossen ' aber der Strom funktioniert. Es kommt niemand zum Kassieren. Der Yachthafen liegt sehr zentral. Er grenzt an den wunderschönen Park "Pres Ja Rose", der sich zwischen Fluß und Kanal hinzieht. Es gibt viele Pflanzenarten, besondere Bäume und Riesenskulpturen, wie Wespe, Ameise, Heuschrecke oder Schmetterling darstellend. Über eine Brücke gelangen wir zur Stadt, die sich um einen Berg schmiegt. Spaziergang im Zentrum zwischen 200-300 Jahre alten Patrizierhäusern. Auf einem 60 m hohen, 300 m langen -Bergzacken dehnt sich die 600 Jahre alte Burg mit Nebengebäuden. Besonders der Turmkomplex ist eindrucksvoll. In der Dämmerung flattern Fledermäuse zwischen den Bäumen.

Nach der Schleuse Nr 18 durchquert der Kanal den Fluß Doubs bei viel Seitenströmung. Bei Erreichen der Hochwassermarke an der Schleuse Nr 17 wäre die Weiterfahrt hierher verboten.

Zwischen Baumes les Dames bis Besancon fährt man durch den malerischen Flußlauf des Doubs, in dem sich eine Landschaft aus Wäldern Wiesen, Felswänden und Urgestein abwechseln. An den Felsen schweben Wanderfalken und Kolkraben. Schade, daß es nicht ein paar Anliegestellen zum Verweilen gibt, um die Natur besser betrachten zu können, denn dieses Tal gehört zu den schönsten Gewässern Frankreichs. Das Departement Doubs grenzt an die Schweiz, mit der es sich einen Teil des Juragebirges teilt. Die Gipfel senken sich herab bis zum Tal des schiffbaren Doubs. Manchmal gewähren uns Büsche Ausblick auf den parallel fließenden Doubs. Der Fluß stolpert ungezähmt über Steinwälle, umfließt kleine Inseln und Sandbänke oder fällt der ganzen Breite nach, schwungvoll wie eine Kinderrutsche'; als Katarakt, einige Meter runter. Schleuse Nr 26, L' Isle sur le Doubs. Bis hierher benutzten wir ausschließlich künstlich geschaffene Kanäle. Ab jetzt fährt man streckenweise auf dem nicht kanalisierten Fluß. Vom letzten Hochwasser zeugen 3 1.,1 über dem jetzigen Wasserspiegel in den Zweigen hängende Fetzen von Papier-, Plastik- und Stoffresten. Bei Hochwasser kann dieses Gewässer sicher sehr launisch sein. Schilder geben Hinweise auf den Abstand der Fahrrinne zum Ufer. Die Kirchtürme sehen aus wie Pickelhauben aus der K und K-Zeit mit verschiedenfarbig glasierten Ziegeln. An den Ufern versuchen Angler ihr Glück. Die Äste der Bäume zeigen zartes Grün. Vor den Schleusen im Fluß kommen wir uns vor wie Versuchskaninchen. Zuerst müssen wir eine ganze Stunde auf ein Lastschiff auf Gegenkurs warten. Dann gehen 3 Schleusentore trotz Drückens der Fernbedienung nicht auf. In den Schleusen wird je von einem Arbeitsteam an der Umstellung auf Automation gearbeitet und erst mit ihrer Hilfe kann unsere Schleusung von statten gehen. Dazu sind leider alle 3 Kammern leer, als wir ankommen, das bedeutet Warten auf Wasser. Während dieser Zeit werden wir vom Wind hin und hergeschoben. Und das dauert und dauert. So schaffen wir trotz längerer Fahrzeit und weniger Schleusen nur die Hälfte der Kilometer von gestern. Denn auch bei einigen anderen Schleusen mußte per Knopfdruck vom Servicehaus an Land nachgeholfen werden und das Personal entschuldigt sich, obwohl es nichts dafür kann. Nach der Schleuse 32 mit sehr großer Außenkurve, liegt genau vor der Brücke in starker Strömung ein kleiner Steg zum Festmachen: der YH von Clerval. Übernachtung Euro 7,50 inkl. Strom. Es regnet. Das kleine, nichtssagende Dorf ist in 5 Minuten besichtigt.

Fluß- und Kanalabschnitte liegen abwechselnd vor uns. In der Mulde eines Bergkessels im tief eingeschnittenen grünen Tal liegen. Baume les Dames, später Fourbanne. Schön. Alles bewaldet, die Wiesen blühen gelb. Der Fluß bahnt sich seinen felsigen Weg weiter. Für uns ein Kanalabschnitt ohne technische Probleme der Schleusen.

Unser Reichtum ist es, Zeit zu haben. So bleiben wir schon um 14 Uhr in Deluz. Bei der Papierfabrik bietet sich eine sonnige Anlegestelle mit Strom und Wasser an. Niemand kommt zum Kassieren. Es ist 18 Grad warm, der Ort schart sich um eine alte Kirche von 1736 und zum Supermarkt schlendern wir in 20 Minuten. Kaum merkbar und still sinkt die Sonne hinter die Juragipfel. Dunkelheit und eine Stimmung aus Frieden legt sich über Fun Too und das Doubstal. Nach 500 m ist die Fahrt auch schon wieder zu Ende, die Doppelschleuse ist kaputt und wird repariert. Das Tor liegt an Land. Der Kranfahrer wartet mit uns. Zum Glück können wir am Ufer festmachen. Wartezeit 3 Stunden. Als Kompensation erhalten wir auf die Vignette 112 Tag gutgeschrieben und ein Arbeiter fährt uns mit unseren leeren Kanistern zur nächsten Tankstelle. Mittags gehts weiter in jetzt flacher Umgebung.

Nachmittags Ankunft in Besancon, die Römer nannten es Vesontio. Es liegt malerisch in der fast geschlossenen Schleife des Doubs. Der Fluß schmiegt sich um ein Felsenmassiv, das die Zitadelle Vaubans trägt, rundum weitere 7 Berge. Der Schifffahrtsweg führt entweder über die Doubsschleife, oder, abgekürzt als Hauptstrecke, durch den 500 m langen Tunnel unter der Zitadelle. Fun Too fährt zur Schleuse Saint Paul. Sie ist selbst zu bedienen, mit einem Tiefgang von 1,30 Meter. Nach viel Muskelkraft gelangen wir an die Stadt-Anlegestelle Moulin Saint Paul, sehr zentral gelegen. Der Hafen ist geschlossen, bzw. offen zwischen 14.6.-16.9., es gibt weder Wasser noch Strom. Das Tor vom Landsteg ist aber offen. Wir liegen, wieder, ganz allein.

Die ehemalige Garnisonsstadt ist von starken Wällen bewacht. Stadtbummel durch die historische Universitätsstadt mit den Patrizierhäusern und Palästen. Mittelpunkt ist die Placa du September. In der Sonne sitzend, genießt man Cafe, Wein oder Bier beim Plausch. Skatebordfahrer führen fußbrecherische Kunststücke vor. Wir gehen die Grande Rue hoch, vorbei am Geburtshaus von Victor Hugo zur Kathedrale Saint Jean aus dem 16.Jh. Die Türe zur astronomischen Uhr ist leider geschlossen. Es geht steil weiter, an antiken Säulenruinen vorbei, durch den römischen Triumphbogen (Porte Noire) rauf zu Vaubans Zitadelle mit weitem Ausblick auf die Stadt. Ich habe noch nie so viele Kamine gesehen. Es ist finster worden. Die Restaurants sind gut besucht. Der vertraute Geruch von Knoblauch aus offenen Küchenfenstern ist unverkennbar. Mit einem Spaziergang an den goldgelb angestrahlten Quais am Doubs entlang gelangen wir wieder zur wartenden Fun Too.

Beim Verlassen der nächsten Stadtschleuse drehen wir eine lange weiße herunterhängende Schlauchstange nach rechts. Dadurch wird die Kammer für die nächste Schleusung ingang gesetzt. Schon erstaunlich, diese Technik! Nach der Umrundung der Stadt gibt es zwei Hinweisschilder: Rhin oder Saone, letztere Richtung schlagen wir ein. Der Fluß mit Sandbänken, aber gut betonnt, nimmt uns auf. Kanal und Flußstrecken wechseln sich ab. Eine etwas ungewöhnliche, aber unkomplizierte Strecke geht 500 Meter als Tunnel (Thoraise) weiter. Als es zu Tröpfeln anfängt, bleiben wir um 15 Uhr an einer Anlegestelle mitten im kleinen Dorf Ranchot. Mit 5.-- Euro all inklusiv sind wir dabei. 2.-- Euro kostet das Duschen und 4,-- Euro die Waschmaschine am Campingplatz über der Straße. Nachts duftet das Bettzeug nach Lavendel. Ringsum leuchten kräftig gelb hohe Forsythiensträucher und nach 4 Stunden Mittelgebirgs-Landschaft, im Umbau befindliche Schleusen und dem Doubs, der oft nicht die Betonnung aufweist, wie in unserem klugen Führer vorhanden und viel Aufmerksamkeit erfordert, kommen wir durch eine herrliche Plantanenallee und enge Brücken nach Dole. Der Port Prelot liegt in ziemlicher Strömung. Fun Too erwählt als Anlieger daher einen kleinen Ponton direkt unter der Fußgängerbrücke, der eigentlich Tankstelle ist. Der YH ist zudem zu 85 % belegt von der Charterfirma Nicols. Dole ist eine 1000 j. alte Stadt mit wunderschönem historischen Stadtkern mit Patrizierhäusern, Durchgängen, alten Klöstern, versteckten Restaurants, Justizpalast, Brunnen und Skulpturen in der Fußgängerzone. Wir gehen am Wasser, dem Mühlenviertel entlang, wo Louis Pasteur geboren wurde. Überall dem dominiert hoch oben die Stiftskirche aus dem 16. Jh., Notre Dame, mit wunderschönen bunten Hochglasfenstern. Von unserem Liegeplatz aus, jenseits der Brücke, befinden sich die Supermärkte Lidl und Geant im Abstand von 20 Minuten. Bis nach Mitternacht sind wir dem Lärm der Mikrofone des nebenan liegenden Volksfestes ausgeliefert, das fast nicht besucht ist. Ist es das Regenwetter oder die ökonomische Situation, daß die paar Jugendlichen kaum Geld ausgeben? Wegen des schlechten Wetters mit kaltem NW-Wind und Regen bleiben wir 2 Nächte. Wir liegen kostenlos, ohne Strom und Wasser. Als Nachbarn haben wir eine Entenmama mit 8 frisch geschlüpften Wollknäulchen.

Nach dem Passieren der Schleuse drehen wir wieder die herabhängende weiße Stange im Uhrzeigerrichtung. Wir fahren einen 17 km langen Kanal, der bei Tavaux Industriezone ist. In Schleuse Nr 73 haben wir Ärger, weil unser Drücker das Tor zwar öffnet, da aber Mittagspause ist, nichts mehr passiert. Und wir fragen uns, sind die Schleusen nun automatisch oder nicht? Endlich Torquietschen und Wassersprudel.

Wir sind in der Gegend, wo sich der Doubs, kurz vor seiner Mündung in die Saone, träge durch Mäander wälzt. Unser Kanal verläuft entlang dieses Wassers. Zwischen Elsass, Schweiz und dem Burgund gibt es 330 km schiffbare Wasserstraßen. Die Achse der Saone und die Achse Doubs-RhinRhone-Kanal nehmen die Schiffahrt aus Richtung Nordeuropa auf u. bilden ein V , dessen Arme sich beim Eintritt in das Burgund vereinigen, um zur Rhone und zum Mittelmeer zu führen. Bei Chagnai fahren wir durch einen malerischen Laubwald. Der Vogelgesang übertönt den Lärm des Motors

Ausfahrt Schleuse Nr 75 und Agfa-Klick, denn Fun Too mündet bei km 219 in die aus Burgund kommende Saone ein bei St. Symphorien. Vorbei an St. Jean de Losne, dem ehemals wichtigsten Hafen Burgunds. Es gibt da einen großen Yachthafen, doch wir motoren weiter, das gute Wetter ausnutzend. Schön breit ist sie, die Saone, einladend dahinströmend. Fast einfach wirkt das Dahinfahren. Die Schiffahrtslinie ist gut markiert. Dieser Fluß strahlt Ruhe aus, das tosende Wasser des Doubs ist zu Ende. Die Saone entspringt in den Vogesen, hat eine schiffbare Länge von 420 km u. mündet bei Lyon in die Rhone. Sie ist ein wichtiger Handelsweg der Haute Saone. Man kann den Fluß in 2 Abschnitte einteilen, die in der Natur und den Schifffahrtsverhältnissen stark unterscheiden. a) von Corre nach Auxonne km 150, b) von Auxonne nach Lyon km 365. Hier, im 2. Abschnitt, stromabwärts, wird der Fluß breiter. Er wurde für die Schifffahrt ausgebaut. Es fahren Lastkähne u. Schubverbände, die bis zu 110 m lang sind.

Doch momentan durchqueren wir das ländliche Burgund. Viele gemietete Ausflugsboote befahren den Fluß in beide Richtungen, es ist Karwoche und schulfrei. Schwäne dümpeln zu dutzenden. In einer Espenallee sind die Rabennester gleich hoch angebracht, wie Etagenwohnungen sehen sie aus. Es folgt eine große Schleuse, dann fahren wir in den links hinter einer Insel gelegenen YH von Seurre ein (km188). Die leeren Pontons liegen sehr geschützt. Später kommen noch 2 Ausflugsboote, Euro 7,-- inkl. Strom. Der große Supermarkt liegt 15 Minuten entfernt. Die alten Steinhäuser erzählen Geschichten der Vergangenheit. Schon 500 J.v.Chr. war dieser Ort besiedelt. Als Grenzstadt wurde hier überfallen, gebrandschatzt und gemordet. Als letzte -2este von Burgung hielt es auch den Soldaten des Sonnenkönigs Ludwig XIV stand, wurde später aber total zerstört, wieder einmal. Heute sehen die Geschäfte pleite, übergeben und die Straßen meist trostlos aus, uralt und grau in grau. Es bleibt der Eindruck einer vergessenen, altbackenen Antiquität undefinierbaren Alters, mit zu versifft degradierten Hauseingängen.

Trotz schwarzen Himmels fahren wir weiter. L's ist 8 Grad kalt, hat Gegenwind und die weißen Wellen kommen uns entgegen, den Fluß hoch. Im YH Verdun sur del Doubs, km 167, tanken wir Benzin. Es mündet der wilde Doubs in die ruhige Saone, die schlagartig tiefer wird. In den sehr großen Flußkurven stehen Bäume, deren untere Äste vom letzten Hochwasser zerzaust und abgebrochen sind. -bei km 159 gehts vorbei am Anleger von Gergy, der recht einsam, in der Gegend liegt. Unser Ziel ist bei km 142 Chalon sur Saon, ein Ort, wo sich seit jeher die Handelswege kreuzten und die den Fluß schon immer zu ihrem Mittelpunkt gemacht haben. Bei seinem Feldzug in Gallien wählte Julius Cäsar den Ort als Vorratslager. Der Ausbau der Kanäle du Centre u. Rhone-Rhin ermöglichte den vermehrten Handel und der Industrien der Stadt Chalon. Nach der modern verankerten Brücke Bourgogne und einer Steinbrücke fahren wir links um eine Insel (Laurent) und sind im YH. Die Marina ist groß, modern, es gibt Strom, Wasser, Duschen und alles für Euro 5,20!! Die Tankstelle ist in Betrieb und der große Supermarkt Carefore ist in 5 Minuten über die Straße zu erreichen. Man wünscht sich so einen Ort alle 80 km, das wäre herrlich. Doch wie sich das zeigen wird, bleibt es Wunschdenken. j;s regnet, ist kalt und wir bleiben 2 Tage Wer sagt denn, daß wir uns immer nur abstrampeln müssen. Alle anderen Crews sitzen nämlich während des Fahrens unter Dach oder in der warmen Stube, während wir draußen ausharrend mit dem notdürftigen Schutz eines Schirmes gegen Regen vorlieb nehmen müssen und uns gegen das Frieren nur das Zittern bleibt. Gesegnet ist, was hart macht! Dabei sitze ich schon mal, wenns schlimm kommt, im Schutz des Salons, der Käpten hält eisern die Stellung.

Hurra, ein Schwalbenpaar. -Es schwebt über das Wasser, Vorboten des kommenden Sommers. Der Stadtkern von Chalon hat einen mittelalterlichen Charakter. Eindrucksvoll ist die Kathedrale Saint Vincente aus dem 15.Jh. Ringsum Fachwerk und Herrschaftshäuser aus dem 15./18.Jh.

Trotz Kälte motoren wir weiter, "step by step", wie ein Engländer sagt. Am Ufer weiden Schafe, glotzen Kühe. Bei km 119 fahren wir in die auf "grün" gestellte Schleuse ein, auf unseren VHF-Anruf meldet sich niemand. Was macht der Schleusenwärter? Ein Mann, gekleidet wie ein Astronaut, mit Helm auf und Tornister auf dem Rücken, spritzt Pflanzengift entlang der Anlage. Er deutet kurz einen Gruß an und macht seelenruhig weiter. "Da können wir lange die 20 drücken! Ergeben warten wir. Alles hat einmal ein Ende, auch ein Gifttank. Endlich werden wir geschleust, der gute Mann winkt ein "au revoire" aus dem Fenster.

Bei km 112 Tournus. -'",in Anleger am rechten Ufer bei der Hängebrücke. Ein uralter Ort, natürlich waren die Römer da. Der Ort entwickelte sich aus Klöstern, die nach jeder Zerstörung neu aufgebaut wurden. Sie waren vielen Kriegen ausgesetzt, z.B. den ungarischen Hunnen. Es wurde von den Hugenotten eingenommen. Als Napoleon vom Exil zurückkam, zeichnete er die Stadt mit dem Kreuz der Ehrenlegion aus, weil sie den Österreichern stand hielten. Wir gehen durch winzige Gassen ins ehemalige römische Zentrum, das aussieht nach Mittelalter. Es gibt auch Patrizierhäuser. Die Kirchen sind Festungen, ihre Mauern fast fensterlos und die dem Fluß zugewandt sind, sind sogar moosbewachsen und düster. Auffallend schön sind alle Glockentürme.

Die Saone fließt ruhig weiter und wir mit ihr. Die steilen Dächer der Häuser sind zu -Llnde, alles wird flacher gebaut, südlichere Stile nehmen überhand. 3 Stunden später. Km 84. Zwei km vor der Steinbrücke von Saint Lauren von Macon, liegt abseits der YH, geschützt und ruhig, unser Nachtquartier. Es gibt Strom und Wasser, der uns angekündigte Hafenmeister kommt nie zum Kassieren. Beim langen Spaziergang zur Stadt sehen wir vor der St.Laurentbrücke einen ungeschützten Anleger in der starken Strömung. Beide hier vertäuten Boote werden die Nacht aber 2km stromaufwärts bei Fun Too verbringen. Auf der Steinbrücke ist Stau. Sie stammt aus dem 14. Jh., wurde im 19. Jh restauriert und ist der ganze Stolz von Macon. Für uns Freizeitboote ist sie passierbar, für die Berufsschifffahrt wurde ein Umgehungskanal angelegt. Macon wurde am rechten Ufer vermutlich im 3.Jh. von Kelten gegründet. Es ist von einer soliden Mauer umgeben. Es überlebte viele Besatzungen im Mittelalter, wurde Handelsplatz und ist heute Zentrum für gute Weine, welche in der Gegend wachsen. Im Ort betrachten wir lange die Saint Vincent Kathedrale, von der nur Reste des Kirchenschiffes und die beiden Türme geblieben sind. Den Fluß zurück spazieren wir unter dem dichten, schattenspendenden Laubdach von Plantanen.

Der Himmel ist sehr bedeckt und windig. Um 08,30 Uhr legen wir ab. Hätten wir noch 30 Minuten gewartet, wir wären nie weggefahren. Es ist Freitag, der 13. Tag unserer Reise und es sollten die kältesten, nässesten 5 Stunden der ganzen Reise werden. denn auf einem Fluß kann man nicht so einfach anhalten wie mit dem Auto auf einer Straße. Es stürmt, es hagelt, es ist saukalt und der nächste Hafen wartet erst auf km 18 auf uns. Und in der großen Schleuse kommt tatsächlich der Wärter vom hohen Turm runter und will, daß wir sofort die Schwimmwesten anlegen. Ordnung muß sein, auch bei Extremwetter! Bei km 55 Belleville liegt das Weinanbaugebiet Beaujolaise auf den Hängen des Höhenzuges Monts d Ore. Unter dem grünen Regenschirm lugen wir in diese Richtung, während der Regen prasselt. Km 31, Trevoux, da stehen die Überreste einer 1000 jährigen Burganlage. Und wir frieren. Wenigstens macht die Saone keine Schwierigkeiten, aber das Anlegen an suspekten Kais wollen wir uns bei diesem Wetter ersparen. Endlich km 20, Neuwille, schöne Häuser, km 19, "da km 18, da vis a vis müßte es sein, denn da vorne ist schon die Schleuse, siehst Du einen Hafen?". An einem kleinen Steg drängen sich 5 betagte Boote unter Bäumen. Am Ende sind 10 Meter frei. Es fehlen zwar einige Bohlen, aber Hauptsache "du, das reicht genau für uns samt Masten"! Wir legen gegen die Strömung an und das ganze nennt sich Port du Val de Saone. Mit zwei Verlängerungskabeln können wir sogar Strom organisieren. Das Frieren hat ein Ende. Ich tue keinen Schritt aus dem warm werdenden Boot. Am nächsten Morgen herrscht nur noch leichter Regen, der gegen mittags aufhört. Um 11 Uhr fahrt eine Peniche aus der Schleuse. Wir sammeln die El-Kabel ein und fahren in das Oberwasser ein, da gerade auf "grün" geschaltet ist. Die Vororte von Lyon reichen bis hierher, mit extravaganten Villen und exotischen Bäumen. Dann taucht sie auf, die Großstadtkulisse von Lyon, mit 1,2 Mill. Einwohnern die zweitgrößte Stadt Frankreichs.I)a wir die Stadt schon per Auto kennen, fahren wir durch. Vorbei an Burgruinen, einem kleinen Eiffelturm (Sender), vielen Kirchen, historischen bauten. .Beide Ufer säumen eine 5-6 stöckige Häuserfront wie ein Gesamtkunstwerk. Fun Too fährt durch 14 Brücken voller architektonischer Baustile. Leider bt es keine kleinen Pontons für Freizeitboote, schade. An den großen Kais weit außerhalb der Stadt wollen wir das leichte Boot nicht festmachen bei dem starken Schwell, den vorbeifahrende Schiffe verursachen. Außerdem, was würden wir zu Fuß von hier ausrichten können? Wir haben ja die Erinnerung an die schöne Stadt von früher. Vor 2000 Jahren war sie röm. Kolonie, gehörte 1000 Jahre später, wie die ganze Provance zum "Emoire Germanique", zum Römischen Reich, und war im Mittelalter Zentrum der Hugenotten mit Aufständen, Verfolgungen, Vertreibungen, nur weil sie protestantischen Glaubens waren.

Am Ende der Halbinsel von Lyon ist die Saone-Strecke zu Ende Schade. Es entsteht ein Erinnerungsfoto, wo bei den 3 grünen Baken und km 0 die Saone in die von links kommende Rhone mündet. Die Brücke Pont Pasteur darf auch noch mit drauf. Somit ist die Verbindung zu den Kanälen im Osten und Mittelfrankreich hergestellt. Die Rhone ist kanalisiert und für die Großschifffahrt ausgebaut, hat aber auch Au-Gebiete fürs Hochwasser. Lastschiffe können ganzjährig ins Mittelmeer fahren. Die Rhone, eine der größten Flüsse -Europas entspringt einem 8 km langen Gletscher beim St. Gotthard/Westschweiz, durchfließt den Genfer See und nimmt in Lyon die Saone auf, um nach 12 Schleusen als Delta im Löwengolf bei Port Saint Louis nach 812 km im Mittelmeer zu münden. Schon zur Römerzeit wichtiger Verbindungsweg, blieb sie immer ein Handelsweg, wenn auch ein mühsamer, als noch getreidelt werden mußte. Heute ist sie ab Lyon 310 km schiffbar. Auch betreibt sie Kraftwerke und kühlt Atomkraftwerke. Doch wehe, sie führt Hochwasser! Sie war immer als schwieriger Fluß berüchtigt, sogar dann noch, als nach der Regulierungsarbeit 1835-1905 der schiffbare Tiefgang bei Niedrigwasser auf 1,6 m verbessert worden war. Das große Ausbauprogramm begann 1933 und konnte 1980 abgeschlossen werden. Die schiffbare Strecke wechselt zwischen tiefen breiten Flußabschnitten und 11 Schleusenkanälen. Die gesamte Technik beeinträchtigt die Schönheit des Flußtales kaum, durch das die Rhone sich ihren Weg zwischen den Alpen und den Ausläufern des Zentralmassivs bahnt. Vor der ersten Schleuse müssen wir fast eine Stunde auf den Kreuzfahrer "Van Gogh" warten. Die Schleusenkammern sind mit Schwimmpollern versehen, was das Schleusen vereinfacht. An den Ufern der Rhone erstrecken sich große Industriegebiete und die Petro chemie verpestet die Luft. Sehr zügig nimmt uns die Rhone mit nach Vienne, km 29, wo es heute noch viele alte röm. bauwerke gibt, und zwar aus der Zeit von Kaiser Augustus. Sie wurden nach dem Vorbild Roms geschaffen. Sie war eine sehr reiche Stadt. Auch sie erlebte 'Untergang und Zerstörung. Heute ist sie eine rege Transitstadt, am Steilufer der Rhone. Die Schleusen senken uns je ca. 14 Meter runter. Das Gefälle der Rhone wird überall für Staudämme und Kraftwerke genutzt. Eine großartige Leistung. An der 3. Schleuse "de Vaugris" fließt die Rhone am berühmten Weinberg von Cote Rotie (Rotwein) entlang. Die Reben wachsen an hohen Uferhängen hoch, die zu steil sind, um Maschinen einsetzen zu können. Große weiße Reklameschilder sind durch Regenschleier sichtbar. Km 41 Marina les Roches de Condreu" an einer ehemaligen Rhone Schleife gelegen. Preis Euro l3,- all inkl. Tankstelle vorhanden, Supermarkt in Nähe. Altes Dorf, enge Gassen. Die schweren Regenwolken zerteilt der kräftige Aprilwind, die Fetzen segeln weit übers Land. Am Horizont zeigt ein heller Streifen im Westen den schon wolkenlosen Abendhimmel an. Dann schmilzt alles in Dunkelheit zusammen, Zeitig erwacht Helios, der Sonnengott. Zunächst wird der Himmel im Osten wie purpurfarbene Tinte, dann ergreifen scharlachrot leuchtende Wolkenfinger das ganze Firmament und es rauscht immer mehr in den Baumwipfeln. Das Thermometer klettert rasch und über Italien zieht ein Regentief. Ein Mistral bahnt sich an.

Entgegen der Aussage des Hafenmeisters, daß am Ostersonntag die Schleusen geschlossen sind, passieren Fahrzeuge in beide Richtungen. .Also sind wir um 13 Uhr auch wieder unterwegs. Km 67, viele Apfelplantagen stehen in weißer Blütenpracht. Terrassenförmig wachsen Reben für Weißwein Die Landschaft ist hügelig. Km 69, Andance: An einer Turmruine erinnern 3 vergoldete Kreuze an die 3 Frauen, die sich aus Verzweiflung, weil ihre Männer vom Kreuzzug nicht zurückkamen, in die Rhone stürzten.

Doch momentan durchqueren wir das ländliche Burgund. Viele gemietete Ausflugsboote befahren den Fluß in beide Richtungen, es ist Karwoche und schulfrei. Schwäne dümpeln zu dutzenden. In einer Espenallee sind die Rabennester gleich hoch angebracht, wie Etagenwohnungen sehen sie aus. Es folgt eine große Schleuse, dann fahren wir in den links hinter einer Insel gelegenen YH von Seurre ein (km188). Die leeren Pontons liegen sehr geschützt. Später kommen noch 2 Ausflugsboote, Euro 7,-- inkl. Strom. Der große Supermarkt liegt 15 Minuten entfernt. Die alten Steinhäuser erzählen Geschichten der Vergangenheit. Schon 500 J.v.Chr. war dieser Ort besiedelt. Als Grenzstadt wurde hier überfallen, gebrandschatzt und gemordet. Als letzte -2este von Burgung hielt es auch den Soldaten des Sonnenkönigs Ludwig XIV stand, wurde später aber total zerstört, wieder einmal. Heute sehen die Geschäfte pleite, übergeben und die Straßen meist trostlos aus, uralt und grau in grau. Es bleibt der Eindruck einer vergessenen, altbackenen Antiquität undefinierbaren Alters, mit zu versifft degradierten Hauseingängen.

Das Echolot piepst oft nervig und zeigt 0,7 m an, obwohl das Flußbett 3-4 m tief ist. Das verschmutzte Wasser reflektiert als kompakte Masse, oder ein großer Fisch schwimmt unter unseren Rümpfen?? Wer weiß. Der Mistral steigert sich, besonders bei den Schleusen herrscht Düseneffekt. Km 86, Schleuse Garvans. Der erste Festmacher liegt um den Poller, beim zweiten sind wir einen Bruchteil zu langsam - und swisch!!, da ist es passiert, da hat der Mistral den Kat in der Kammer quergestellt. Hektik, Gebrülle, Festmacher auslassen, Rückwärtsgang, neues doppeltes Belegen, Ausatmen. Der Schleusenwärter frägt durchs Mikrofon, ob er wirklich schleusen kann, denn Fun Too liegt nun mit dem Heck zum Ausgang. Daumen hoch, er kann! und wir rutschen 11,8 m runter, sind in lee von Tor und Mauern und fahren per Rückwärtsgang raus zur Rhone. Alles geht gut. Das Flußtal ist relativ eng eingeschlossen zwischen Granithügeln voller Weinstöcken,

4 km weiter mündet le Doux in die Außenkurve der Rhone. Und genau in der großen Strömung liegt die Liinfahrt zum kleinen Freizeithafen von Tournon km 91. Mit Mühe gelangen wir hinter den Lattenzaun an die Kajmauer. Wassertiefe zunächst 3m, 2m, dann stecken wir fest, ziehen die Ruder hoch und liegen relativ ruhig an Betonstufen fest. Es ist Ostersonntag und das Volksfest nebenan ist in vollem Gange. Unsere Flagge knattert im Mistral, der nachts etwas schwächer wird. Durch eine Allee gelangen wir zur Altstadt. Alle Geschäfte haben geschlossen. Auf den Hügeln stehen Ruinen von mittelalterlichen Befestigungsanlagen. Es wird ein ruhiger Leseabend.

Wumm, klatsch, wumm. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen und in Schlafanzügen stürzen wir bei der Salontüre raus. Eine Peniche verschwindet um die Kurve und die Heckwellen des Binnenfrachters klatschen Fun Too an die unten hohle Betontreppe. Wir fendern ab, drücken weg, damit der Rumpf ja nicht unter die Treppe gerät und alles kaputtgehauen wird. Es gibt halt Situationen, wo die ganze Vorsicht unzureichend ist. Noch nie haben wir einen Schlafplatz so schnell verlassen. Erst nach ein paar Minuten merken wir, wie stark der Mistral bereits das Rhonetal fest im Griff hat., es ist 07 Uhr. Die achterlichen Wellen sind hoch wie auf dem Meer. Wir rechnen aus, daß wir bei gleicher Drehzahl des Motors statt 10 km - 16/17 km über Grund fahren. Als ich mir das so recht sparsam ansehe, meint der Skipper "mir kanns recht sein, um so schneller sind wir im guten Hafen von Viviers". Aber zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegt das Hochwasser der Rhone.

Mistral: Das Wort leitet sich vom lateinischen "magistralis" ab, also der Meister der Winde. Er ist ein sehr kräftiger, kalter unbarmherziger Nordwind, der mit unerhörter Wucht durch das Rhonetal fegt und er hat keinen guten Ruf. Er weht in unregelmäßigen .Abständen und zu allen Jahreszeiten. Andererseits ist er Garant für schönes Wetter denn da hellt sich der Himmel saubergefegt auf. Er kann zwischen 3, 6 oder sogar 9 Tagen blasen. Dieser trockene Fallwind ist sozusagen die Seele des Tales und wir bekommen sie gründlich zu spüren.

Bei km 101 mündet die Isere aus Grenobel kommend in die Rhone. Km 111, Valence, aus dem latein. Valentia abgeleitet, röm Kolonie, im 9.Jh. schon Bischofstum. Zankapfel zwischen Kirche und Grafen. Und es gehörte, als Erbschaft, sogar mal eine zeitlang den Grimaldis von Monaco, doch die frz. Revolution brachte es wieder zu Frankreich zurück. Die Kathedrale ist weithin sichtbar. 1 km weiter, km 112, liegt die Marina Valence-Valensol, sehr modern und geschützt. Wir fahren rein zum Tanken, beraten, es ist erst mittags, motoren weiter. Mal im Fluß, mal im Kanal. Die vier Schleusen sind 6m, 10,5 m, 14 m und 23 m tief. Also 53 Meter wird Fun Too runtergelassen. Wir bewundern alle Zubringer, Wehre, Schleusenkammern und Türme. Wie viel Arbeit, Technit und Investitionen sind erforderlich, daß wir es so gut haben und oben in Schweden nur sagen brauchen "ich fahre jetzt ins Mittelmeer" Grüne Weinhänge, romantische alte Kirchen, weite Auen, wo auf alle 20 Meter ein Reiher kommt. Mit wachsamen Augen wartet er, bis ein kleiner Fisch, von unsrem Motorgeräusch irritiert, am Ufer Schutz suchen will und zack, wird er aufgefressen. Es gibt Stauseen, von denen weiße Ibisschwärme auffliegen. Und der Mistral tobt. Atomwerktürme mit weißen Rauchsäulen voraus am liorizon, schnell liegen sie querab, bleiben zurück. Rasant schwebt Fun Too die Rhone hinunter. In den hohen Wellen macht der festgezurrte Masten keine Probleme, toi, toi, toi! Vor 2 Wochen fuhr unser Nachbar vom Winterlager, die 15 m Stahlyacht "Stella Maris" von Mulhause ab und bekam hier auf dieser Strecke bei einem Südsturm Schwierigkeiten mit den Wellen gegen den Strom. Sie befürchteten, den gelegten Masten zu verlieren und kehrten stromaufwärts zurück. Es folgen die Schlösser bei Montelimar, der Nougatstadt, viele Kirchen. Die letzte Schleuse senkt uns 18,5 m, es ist abends.

Nach 3 km stehen die roten und grünen Baken da, ein Einfahrtsslalom zum Freizeithafen von Viviers, am Zusammenfluß von Rhone und Kanal. Die sehr starke Strömung erfordert die ganze Aufmerksamkeit, um vorwärts zu kommen. Trotzdem erkennen wir aus den Augenwinkeln, daß etwas nicht stimmt, denn in ca 6 Meter Höhe stehen komische Rechtecke, hoch wie Straßenlaternen. Es sind die Auftriebskörper, die an den hochgeklappten Stegen hängen in Reih und Glied und von Land ertönt ein abweisendes "Port ferme". Für einen Schock lassen uns Strömung und Starkwind keine Zeit. Ganz innen am Slip befindet sich, Glück im Unglück, ein 4 m langer Notsteg. So simpel, wie sich das anhört, ist es aber nicht. Mit viel Aufwand an Arbeit, Zeit und Nerven ist Fun Too nach 30 Minuten endlich irgendwie festgemacht. Improvision ist alles. Als wir festgezurrt sind, kommt das große Verschnaufen. Bei der Türe weht der kräftige Mistral rein. Seis drum, wir haben sonst keine andere Alternative. Zum Weiterfahren ist es zu spät. Rundum sieht alles nach Verwüstung aus. Wo ein Riese von Plantane stand, gähnt ein ausgewaschener tiefer Krater. Am kleinen Abgrenzungswall zum Fluß hin, der sonst den "Hafen" bildet, arbeitet ein Kran und schlichtet Felsbrocken zur Befestigung auf. Und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, im Winterlager an Land liegen die Boote, meist umgekippt, weil sie von den Wassermassen aus ihren Holzgestellen hochgehoben und weitertransportiert waren. Viele sind voller Schlammsand, Versicherungsfälle sind sie alle. Das letzte Hochwasser der Rhone hat hier ganze Arbeit geleistet. Dieses Hochwasser hat den ganzen folgenden Strom runter weitreichende Folgen der Zerstörung hinterlassen. Wir steigen ganz enge, mit Rundsteinen vom Fluß gepflasterte Gäßchen rauf zur Notre Dame, zum Bischofsplatz und schließlich zur Festung mit Ausblick auf das friedliche Rhonetal.

8.30, wieder unterwegs. Dritter Tag Mistral, aber wie! Mein Enkel würde sagen "booaahhh!", denn das Wasser der Rhone sieht aus, wie das Meer bei Sturm. Vor uns, die Schleuse "Bollen", km 187, ist offen. Gott sei Dank!, denn es gäbe keinen Warteponton. Die Festmacher liegen auf den Meter genau bereit, denn die Natur setzt Grenzen. Alles klappt diesmal. Wir werden 23 Meter tiefer gesenkt Wie am Grund einer dachlosen Kathedrale fährt die 9,6 m kurze Fun Too aus der 190 m langen Schleuse. Es bleibt die .Burgfeste Mornas achteraus. Unser Kanal mündet in das sehr breit gewordene Flußtal. Die Rhone schiebt unaufhörlich und die Schleuse Caderousse, km 115, kommt näher. Es leuchtet rot und der Mistral wienert. Wir versuchen, im Kreis zu fahren, ohne abzudriften, achten auf die Peilung. Endlich ein Lichtblick. Das Dach eines Motorbootes erscheint in der Schleuse. Beim Herausfahren treibt es quer, kann sich in den Wind stellen, ausrichten, wir sind nicht mehr seine Zielscheibe. Der Engländer stampft raus in die Rhone. Wie ein Schneepflug kämpft er gegenan. Grün. Mit viel Herzklopfen, aber ohne Probleme sind wir in der Kammer mit 9,5 m Tiefe. Der Mistral will Fun Too packen, aber wir halten eisern an den Leinen fest, bis das Quertor zu ist. Nächste Schleuse km 234 Montplaisir. Der kleine Anleger ist bereits von einem Segelboot belegt. Das Oberwasser glänzt bereits in der Schleuse, die aber "rot" und zu bleibt. Nach grundlosen 25 Warteminuten im Mistral, was Nerven kostet, geht plötzlich das Tor auf "Grün"' Beide Freizeitboote fahren ein. Und nochmals warten 20 Minuten lang. Dann beginnt endlich der Abwärtstrip von 10,5 m. "Spinnt der da oben im Turm?", fragen wir uns von Boot zu Boot. Später erfahren wir, daß es der Sadist immer so macht, nämlich, Freizeitboote einfach warten zu lassen.

Wir fahren vorbei am Fort Andre-Villeneuve les Avignon. Imposant sind die Zwillingstürme und Schießscharten. Die Befestigungsanlage um Schloß-Abtei und Dorf. Es folgt, sehr schön in die Natur hineingebaut, die Klosterhochburg der Kapuziner. Wir motoren um die Spitze der Insel la Barthelasse und wieder 3 km zurück auf km 241 und wir werden für alles entschädigt, denn Avignon empfängt uns: in lee liegt Europas berühmteste Brückenruine "Saint benezet" aus dem 11.Jh., dahinter die Kulisse der Paps-tKoloss-Bauten und hoch darüber, auf der Spitze eines Glockenturms, glänzt eine vergoldete Madonnenstatue in der Sonne. Jetzt sollten wir eigentlich am Ziel sein. Aber- wieder keine Pontons! Nur die Elektro-Kästen liegen, sandverschmiert, oben an Land, sonst kein Zeichen, daß hier einmal ein Yachthafen war. Den Hafen Saint Benez gibt es nicht mehr. Wir fahren weiter, umrunden die Brücke. "Da, boote". Dem Kai konnte das Hochwasser nichts anhaben. Es liegen hauptsächlich Peniches, Arbeitsboote, aber auch so 5-6 Motor und Segelboote da. Der Hafenmeister winkt uns an ein Motorboot heran, wo es die einzige Stelle mit Stromanschluß gibt. Hafenplatz-Meter 1 Euro, als Päckchen 50 % Ermäßigung. Es gibt Trinkwasser und Duschen. Das Marinagebäude ist ein umgebauter Prom, wo es außer den sanitären Anlagen auch Waschmaschine und Trockner gibt. Jeglichen Liter Treibstoff muß man zu Fuß von einer Esso Tankstelle holen. Die ist automatisch nimmt weder Visa noch Bargeld und man hat ein unvorhergesehenes Problem. Wir lösen unseres, in dem wir endlich einen verständnisvollen Franzosen finden, ihm 30,- Euro in die Hand drücken und er auf seine Karte dann dem Automaten den Saft entlockt, den wir benötigen. Ce la vi!

Avignon: Die alte Hauptstadt der Gallier verdankt ihren glorreichen Aufschwung der Verlegung (Vertreibung) des Päpstlichen- Hofes im Jahre 1309 unter Clemens V.Aufgrund von Streitigkeiten verließ er Rom und der Hof setzte sich fast 400 Jahre in Avignon nieder. 7 Päpste lösten sich hier ab. Erst die Pest 1721 vertrieb den 111 Hof wieder zurück in den Vatikan nach Rom. 75 % der Stadtbevölkerung starb. Die Päpste und ihr Gefolge brachten kommerziellen Reichtum in die Stadt. Sie lebten "wie Gott in Frankreich". Dieser päpstliche Hof war der lukrativste in Europa für Kaufleute, Künstler, Schnorrer, Handwerker und Huren. Avignon bekam den Ruf eines Sündenbabels. Einzigartig sind die Bauten, besonders das päpstliche Feudalschloß samt Palast. Es ist das größte gotische Gebäude der Welt, festungsartig und verschachtelt. Mit dem Bau wurde im 12. Jh. begonnen und immer wieder verbessert. Die Altstadt ist von einer eindrucksvollen langen Wehrmauer umgeben. Sie besitzt 90 Türme und 7 Tore. Innerhalb stoßen wir auf Schritt und Tritt auf Kirchen, Paläste, Anlagen, Museen. Wir sehen Meisterwerke von Degas und Van Gogh. Überall wird getrockneter Lavendel angeboten, die Blume der Provance. Aromen von Parfüms umschmeicheln die Nase. Die meisten Kirchen sind zu Museen umfunktioniert, oder das Innere ist kslt und muffig von Armut und Verfall gezeichnet. Die "Brücke von Avignon", Saint Benezet. Mirreil Mathieu singt das Kinderlied von "sur le pont, Avignon", das jeder schon mal gesummt hat. Im 11 Jh. erbaut, war sie der einzige Übergang über die Rhone, die natürliche Grenze zwischen dem Königreich Frankreich und dem Hl. Röm. Reich. Der Legende nach hatte der junge Schäfer Benerzet Stimmen gehört, welche ihm rieten, daß hier eine Brücke gebaut werden sollte. Und er fand tatsächlich Sponsoren. Bald wurde sie im Krieg beschädigt, aufgebaut und vom Hochwasser immer wieder zerstört und 1668 zur Hälfte mitgerissen. La verzichtete man auf den Wiederaufbau. Von den ursprünglichen 22 Arkadenbögen sind heute noch 4 übrig geblieben, also nur noch ein Fünftel. Auf einer der Stützen befindet sich die Kapelle Saint Nicolas. Heute ist die Brücke Weltkulturgut der Unesco, die täglich von vielen Touristen besucht wird. Morgens gibt es frischen warmen baguett. Auf dem Weg zum Bäcker sieht man schon Absinth trinkende Männer. Es gibt unzählige Feinschmecker- und Weinlokale. Am Kai ist ein Kommen und Gehen, gen Süden, gen Norden. Die einen suchen Sonne und sie soll preiswert sein. Die anderen wollen verkaufen, haben vom Süden genug, oder schieben ihre Enkelkinder zu Hause vor. Als wir einen alten Schweden fragen, warum er wieder zurück fährt, antwortete er "Ja, wenn ich das wüßte, fahr selbst runter und mach dir dein eigenes Bild vom jetzigen Mittelmeer." Ein Däne fährt mit seinem großen Motorboot schon zum 5.mal die Rhonestrecke. (Hat der Mann nichts anderes zu tun?) Eine Entendame ist hartneckig. Auf unserem Trampolin liegen ein paar Schlingen El-Kabel, die sie scheinbar als brauchbares Nest ins Auge faßt. Von dort vertrieben, versucht sie ihr Glück auf dem Lattenrost am Heck. Ihr Abschiedsgeschnatter deuten wir als nirgends hat man seine Ruhe". Im Sonnenlicht schwirrt ein Schwarm silbern glänzender kleiner Fische hin und her. Er wird gejagt von einem größeren Fisch, Das Leben in der Natur ist die Kunst, etwas Essbares zu finden, ohne selbst gefressen zu werden!

Ab Arles folgen wir einem breiten Tal, umgeben von welligen Hügeln mit Buschvegetation. Hier in der Provance lösen langsam Macchiagewächse des Südens die Wälder ab. Das Licht wird intensiver. Zypressenhecken wachsen schützend als Abwehr vor dem kalten Mistral. Nenenan liegen typische provenzialische Dörfer, verschacktelt gebaut aus grau behauenem Naturstein und gedeckten Tondächern. Sie sehen aus wie kleine Inseln in weiter Landschaft mit Ackerbau Da bei km 261 Vallabregues die Rhone am breitesten ist, befand sich in diesem Bauabschnitt die spektakulärste Baustelle des gesamten Rhoneausbaues. Es ist schon enorm, was hier geleistet wurde. Hier steht der größte mobile Staudamm Frankreichs. Zu dem Projekt gehört auch die Schleuse km 265 Beaucaire, die uns 15,5 m senkt. Schon nach der Ausfahrt sehen wir auf einem hohen Felsen den großen Schloßkomplex des Königs Rene von Taracon km 267. Die Stadt liegt an der Via Domita, denn die Römer verkehrten seit dem 2. Jh. in Südfrankreich. Leider ist auch dieser Anlieger unauffindbar weggerissen, so bleibt die geplante Besichtigung eines der schönsten mittelalterlichen Schlösser Frankreichs auf der Strecke. Im Hintergrund erscheint die weiße kleine Bergkette des Alpillen Massivs Bei km 279 zweigt die Petit Rhone ab nach Saint Gilles - Sete und bildet so die Insel des 3ables. Die Spannung steigt, wie wird es nach der Rechtskurve in Arles für uns aussehen? Km 282: "hurraaaa", es gibt einen 35 m langen neu montierten Anlegesteg, zwar voll besetzt, aber immerhin. Der Rest der ursprünglichen Anlage liegt verbogen und zertrümmert , vermischt mit Baumwurzeln, Astholz und Müllkontainern den nebenanliegenden Hang hoch. Schlimm! Jim, der alte Engländer, den wir vom Kai in Avignon her kennen, hilft, drei andere Boote enger zu hängen, so daß Fun Too dazwischen paßt, "thank you, your welcome". Der Ort heißt Trinquetaille, Ile Sables. Über die Brücke nebenan gelangt man in 10 Min. nach Arles in die Altstadt hinüber. Preis 12.-- Euro, keine Sanitäranlagen, aber Strom und Wasser.

Arles: Ursprünglich keltischer Wohnsitz, dann von den Griechen kolonisiert, wurde Arles von Julius Cäsar zur röm. Kolonie. Es liegt am Kreuzpunkt von Rom, Spanien und Nordeuropa an Via Aurelia, Via Agrippa und Via Regordane. Aus der Blütezeit des "Kleinen Rom Galliens", im 16. Jh., entwickelte sich eines der größten religiösen Zentren des Christentums. Im 17/18 Jh. wurden viele Patrizierhäuser erbaut, denn die Stadt war reich und vornehm geworden. Am Anfang des Rhonedeltas gelegen, wurde Arles ein strategisch wichtiger Handelsplatz und begütert. Arles, die Stadt des Südens. Wir besichtigen das antike Theater für 10 000 Zuschauer, heute eine große Ruine. Das Forum ist eine unterirdische Galerie in Hufeisenform. Am eindruckvollsten aber ist das 90 n.Chr. erbaute Amphietheater, welches 26 000 Zuschauer erfaßt. Im Sand der Arena finden zu Ostern die Corrida, Stierkampf, statt, in der Provance geduldet und seit 500 Jahren Tradition. Es gibt viele Kirchen und Klösterkomplexe. In der Innenstadt laden sonnige Plätze ein zu verweilen. Die Leute haben Zeit, lassen sich Zeit beim Essen, zum Rotwein, zum Plausch. In den Parks grünt und blüht alles. Wir sitzen unter einer rotblühenden Kastanie. Der für die Provance charakteristische Maulbeerbaum blüht alle 2 Jahre. Von einer Sandbahn ist das Klicken der metallenen Boulekugeln zu hören. Die Männer diskutieren ernsthaft um Abstände und Punkte.

Überall wird an Vincent Van Gogh, den provenzialischen Holländer erinnert. Er war ein Mystiker. Nach einem Aufenthalt in Paris läßt er sich von 1888-1890 in Arles nieder, mit seinen Zweifeln und seiner Suche nach Gott und den absoluten Idealen. Hier schuf er den Großteil seiner Gemälde, die Sammlern heute astronomische Summen wert sind. Er selbst war verarmt, sein Bruder kam für seinen Lebensunterhalt auf. Van Gogh schneidet sich in einem Anfall sein Ohr ab und verfällt schließlich ganz dem Wahnsinn. Ich spaziere 5 km gen Süden zur Original-Zugbrücke von Langlois, kurz "pont v. Gogh" beschriftet, am alten Römerkanal gelegen. Diese Zugbrücke ist wohl sein berühmtestes Motiv, das er in seinem eigenen Malstil verewigt hat. In absolut ländlicher Ruhe steht sie da, dunkelbraun. Die Seitenteile halb hochgehoben, sieht sie aus wie die betenden Hände von Dürer, fast ergreifend. Lange stehe ich davor. Der lange Weg hat sich gelohn!

Es ist Nacht geworden. Leichte Wellen streicheln Fun Too. Manchmal klopft ein vorbeitreibendes Holzstück an. Aus den Bäumen ertönt ein langgezogenes " U-Uhuu" von einer Eule, Schichtwechsel, denn wir gehen schlafen.

8,30 Uhr. Ein letzter Händedruck ".Bye, bye Jim", der kleine Mann mit dem großen Herzen grüßt zurück "take care" und die Rhone hat uns wieder. Ein Blick zurück mit schönen Stunden, wo zur Römerzeit gejubelt wurde, als Gladiatoren einander abschlachten mußten. Die letzten zwei Brücken werden passiert, Abschied liegt in der Luft. An vielen Stellen des Rhonetals sind Großbagger mit Reparaturarbeiten der zerstörten Uferanlagen zugange. Spiegelglatt, ruhig wie ein See, gibt sich momentan der Strom. Nur an den Baken läßt sich die Strömung von ca. 3 kn erkennen. Berge von Salz, das Produkt des Meeres, werden per Förderbänder auf Frachtschiffe verladen. Die letzten beiden Stunden bringt ein leichter Südwind die Andeutung von Meer mit. Allenthalben werden mittels dicker Rohre Rhonewasser hochgepumpt für die vielen Obstplantagen, mit Äpfeln, Aprikosen, Mandeln und Oliven. Ein paar Fischer holen in Ufernähe ihre wohlgefüllten Langreusen hoch: Flußkrebse und Aale. Auf die letzen 12 km macht uns noch enormer Gegenwind auf die Nase mit hohen spritzenden Wellen, Strom gegen Wind, zu schaffen. Ungemütlich!! Das erleichtert uns den Abschied von der Rhone, di wir bei km 323,5 verlassen. Es war ein schönes Revier, das zum Teil naturbelassen, zum Teil durch Ableitungskanäle begradigt wurde. In diesen Kanälen liegen auch die 12 Rhoneschleusen. 6 km weiter stromabwärts mündet die Rhone über sandige Barren und Untiefen, die sie im breitflächigen Delta aufgespühlt hat, in den Golf von Lyon ins Mittelmeer. Für jegliche Art von Booten ist diese Strecke unpassierbar. Offiziell, denn die kleinen Fischerboote von St. Louis "Port abri Fluvial" kennen die schmalen Durchfahrten natürlich, sie leben ja im und von diesem Gebiet. In diesem Rhoneabschnitt gibt es u.a. Catfische von über einem Meter Länge, die um die 80 kg auf die Waage bringen. Der deutsche Rekord wurde aus dem Rhein bei Ludwigshafen gezogen: ein 2.12 m langer und 82 kg -schwerer Wels. Er ist Deutschlands größter Süsswasserfisch.

Die letzte Schleuse entläßt uns nach Saint Luis du Rhone. Sie liegt am gleichnamigen Kanal. der zum Meer führt. Im vergrößerten Stadthafen kostet unser Boot 13,-- Euro per Nacht, oder 70,-- Euro die Woche, plus 20 % KatZuschlag. Seit Schweden liegen insgesamt 159 Schleusen und einige Flüsse hinter uns. Neptun sei Dank, daß wir nur mit einer kleinen Schramme, die man wegpolieren kann, davongekommen sind. Und einige Schrecksekunden sind halt unvermeidlich, bei der Durchquerung Europas.

Per Auto fahren wir einen Abstecher nach Saint Maris , dem Wallfahrtsort der Zigeuner. Dabei kommen wir an vielen Reisfeldern vorbei. Der Weg führt durch die Camarque. Sie ist Europas größtes Schwemm und Sumpfgebiet und ist zwischen den beiden Mündungsarmen der Rhone entstanden, im Gleichgewicht gehalten zwischen Süß- und Meereswasser. Auf großen Flächen wird Salz gewonnen. Das meiste vom Rhonedelta ist Naturschutzgebiet. Alles greift grenzenlos ineinander: Ebenen, Sümpfe, Teiche. Es ist eine Gegend für sich, wo viele Arten von Vögeln leben, oder zwischenlanden auf ihrer langen Wanderschaft. Es gibt hunderttausende von Bläßhühnern, -Enten, Schnepfen, Möwen. Hochstelzige weißrosa Flamingos sind eine Augenweide. Majestätisch sielen sie mit langen Hälsen die Krebse aus dem Wasser. Es gibt erhöhte, gezimmerte Ausguckspunkte, wo die Vogelarten, Stiere und wild lebende Pferde besichtigt und fotografiert werden können.

Zurück im Hafen von St. Louis beginnt für uns ein neuer Abschnitt. Es ist der 25.4.04. Inzwischen haben wir den Masten selbst gesetzt. Fun Too ist vom Flußnomaden wieder zum mobilen Segelboot geworden, bereit fürs Mittelmeer.


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