Mit VAVA-U über den Atlantik

Reisebericht einer Atlantiküberfahrt von St. Martin in der Karibik nach Benalmadena, Spanien vom 30.4.13 bis 28.5.13 auf dem 16,5m Alu-Kat
„VAVA-U“ (Caroff-Design)

Richtung Heimat

Was macht der auf dem Schiff? Der hat doch keine Ahnung! Zwei Monate trug ich meinen Rucksack schon durch Patagonien und Feuerland im südlichsten Südamerika. Unter anderem auch durch Puerto Williams auf der Isla Navarino, kurz vor Kap Hoorn, wo ich ein paar wetterfeste Weltumsegler traf. Das fand ich, der sonst noch keine Ahnung vom Segeln hatte, schon ziemlich cool. Mit einer Fähre war ich dann eineinhalb Tage im Beaglekanal und der Magellanstrasse unterwegs aufs südamerikanische Festland. Fazit – Schiff 1:0 Flieger Als sich die Blätter verfärbten und ich morgens schon den Reif von meinem Schlafsack schütteln musste, wurde mir klar, dass ich langsam über meine Heimreise nachdenken sollte, wollte ich doch im Nordsommer wieder daheim sein. Aber jetzt einfach nach Hause fliegen? Kein würdiger Abschluss meiner Reise… Im Internet wurde ich auf Martin Ranft und seinen neu erstandenen Aluminium- Kat „VAVA -U“ aufmerksam, der zu der Zeit in der Karibik lag und im Sommer auch im Mittelmeer sein sollte. Nach den ersten beiden Emails war die Sache schon eingefädelt. Ein Telefonat aus einem argentinischen Bergdorf nach München, bei dem wir beide nur die Hälfte verstanden (diese aber doppelt) beseitigte die letzten Klarheiten. Der Flug in die Karibik war schnell gebucht, die Anreise nach Santiago de Chile von wo aus mein Flug ging, sollte noch einen Monat dauern.

Karibik

Tatsächlich erreichte ich Ende März St. Martin und da wartete Martin auch schon auf mich. Mit dem Dinghi ging es direkt vom Flughafen zum Schiff. Zur Einstimmung gab es eine dreitätige Runde um St. Martin bevor wir die restlichen Tage bis zum Ablegen in einer Marina verbrachten. Der Kat war bis auf ein paar Wochen Karibik über ein Jahr unbenutzt und so mussten einige Sachen in Stand gesetzt werden, um ihn atlantiktauglich zu machen. Unter anderem waren alle Segel beim Segelmacher um kleine Mängel ausbessern zu lassen, Anzeigen wurden montiert, Warmwasserspeicher und Schwimmerschalter getauscht. Und die Sicherheitsleinen an Deck sollten am Atlantik auch nicht fehlen. Dann kam noch Jim vorbei um den Rumpf zu reinigen. Nach ein paar Tagen kamen dann die anderen Crewmitglieder. Insgesamt sind wir jetzt 5 Mann –Skipper Martin, Heinz, Knut, Nick und Ich. Beim anschließenden Großeinkauf füllten wir den Taxi-Kleinbus bis unters Dach voll und klemmten uns dazwischen. Nachdem die 150 Tagesrationen zuzüglich Reserve verstaut waren ging es noch einmal in eines der Hafenrestaurants.

Ablegen

Am nächsten Morgen war es dann endlich soweit. Wir fuhren durch die Zugbrücke aus der Simpson Bay Lagoon und legten noch einen kurzen Badestopp in der schönen Baie Longue ein. Dann wurden die Segel gesetzt und mit einem Schuss Karibik-Rum startete unsere Atlantiküberquerung – erst mal nach Norden. Am ersten Tag waren wir richtig gut unterwegs und flogen mit bis zu 12kn vorbei am flachen Anguilla. Bald war auch die höhere Insel St. Martin außer Sichtweite. Ab jetzt sind da nur noch wir und das Meer und nichts mehr. Die erste Nacht ging ereignislos vorüber, nur der Wind lies nach und sollte auch in den nächsten Tagen nicht mehr viel Vortrieb bringen. Neben gelegentlichem, gemütlichem Segeln blieb genug Zeit, den Autopilotmotor zu reparieren, bevor wir dem Wind ab und an hinterher Motoren. An einem dieser elenden, windstillen Morgen begegneten wir einem polnischen 5m-Boot mit dem gleichen Ziel wie wir. 5m x 2m! Da lernt man nicht nur den Auslauf zu schätzen, der uns auf 16,5m x 8,6m zur Verfügung steht, sondern freut sich auch, dass bei uns der Kaffee am Tisch stehen bleibt, wenn sich einer in der Koje umdreht. Die Wasservorräte auf deren Boot sind natürlich auch begrenzt und so werden sie auf den Azoren Halt machen müssen. Wir haben uns dann wieder verabschiedet und sind, glücklich über unseren Wassermacher, weiter motort. Auch wenn der Wind vorerst noch zu wünschen übrig lässt, gibt es doch immer wieder schöne Sonnenaufgänge – mal wolkenverziert, mal ganz ohne Schnörkel. Und natürlich auch prächtige Sonnenuntergänge, die nach karibischen Sundownern verlangen – noch in Badehose und gemütlich am Achterdeck…

Der ersehnte Wind

Es kommt dann doch so viel Wind auf, dass wir reffen müssen - das geht aber nicht ohne Probleme. Der oberste Schlitten vom Großsegel hat sich in der Schiene verkeilt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als es mit Gewalt runter zu ziehen. Das reißt dann den Schlitten aus der Führung, aber wenigstens kommt das Segel runter. Ich lass mich dann hochziehen, um zu sehen wie viel kaputt ist, brauch bei dem aufkommenden Seegang aber all meine Kraft um mich oben am Mast zu halten und kann sonst nicht viel ausrichten. Wir entscheiden uns den untersten Schlitten ganz nach oben zu setzen und fortan nur mehr im ersten Reff zu fahren. Das kriegen wir noch kurz vor Sonnenuntergang hin und sind dann auch wieder flott unterwegs. Als wieder mal der Wind komplett eingeschlafen ist, und sich die Wolken in diesem Ententeich spiegeln, den manche auch ein Weltmeer nennen, beschließen wir Baden zu gehen. Ein schönes Erlebnis 700sm südöstlich von Neufundland mit viel Wasser unter den Füßen zu plantschen. Kurz darauf sind wir umgeben von Quallen und beenden unser Bad noch vor Kontakt mit den spanischen Galeeren. Ich weiß nicht ob unser hilfloses Gestrampel dann den Unterschied gemacht hat, oder die liebevolle Präparierung eines Fliegenden Fisches, der wie einige seiner Kollegen den Weg auf unser Deck gefunden hat, aber das tagelange Leinen waschen und Atlantik-von-Seegras- befreien macht sich endlich bezahlt… Mit dem letzten Tageslicht ziehen wir einen schönen 80cm Thunfisch an Bord! Endlich! Der versorgt uns nicht nur an diesem Tag mit einer köstlichen Vorspeise, sondern soll noch für ein paar weitere Abende unsere hungrigen Bäuche reichlich füllen. Da wir vor dem Ablegen keine Gaskartusche mehr für unseren Griller bekommen haben, hatten wir wieder Beschäftigung für einen Nachmittag. Man nehme einen Gasgriller, einen Benzin- Camping-Kocher und eine Badeleiter, verbinde das Ganze mit Draht und nach einigem Funkenflug können schon die ersten Toastbrote zur Geschmackskontrolle geröstet werden. Diese wird mit Bravour bestanden – keine Spur vom erwarteten Tankstellenaroma. So wurde unser Spezialgriller noch an ein paar weiteren Abenden für Bratwürste und dergleichen eingesetzt.

Wetter

Nach zwei Wochen hört man den bislang positivsten Kommentar von Martin zur zweimal täglich empfangenen Wetterkarte: „Schaut ja gar nicht sooo schlecht aus.“ Aber in den nächsten Tagen wird dann doch klar, dass sich ein sehr stabiles Hoch über den Azoren festgesetzt hat und uns mit Ostwinden immer mehr nach Nordost abdrängt. Wir kommen schließlich bis auf 42° Nord bevor die schon ab etwa 30° erwarteten Süd bis Südwestwinde nutzen können, um dann endlich mit östlichem Kurs an den Azoren vorbeizugehen. Land blieb stets außer Sichtweite, waren wir doch mehr als 100sm nördlich der westlichsten Azoreninsel Flores. In dieser Gegend passierte auch der einzige kleine Unfall einer sonst fast verletzungsfreien Überfahrt (der andere war Skipper Martin selbst, der nachts die Motorluke nicht so laut zufallen lassen wollte und seinen Zeh drunter stellte), beim Bergen des Blisters rutschte Nick das Fall durch die Finger – aber immerhin verbrannte er sich drei davon nicht. So konnte er mit ein bisschen Zähne zusammenbeißen das Bier zur Schocküberwindung schon selbst öffnen. Den Möwen, die wir auch mitten im Atlantik vereinzelt sahen war wahrscheinlich nicht so frisch wie uns. Schon ab der Hälfte saßen wir bei den meisten Mahlzeiten drinnen und es ist nicht mehr wärmer geworden. Was für ein Kontrast zur Karibik, wo ich auch in der Nacht noch mit der Unterhose im Wind stand. Bei den nächtlichen Wachen ging man bald nur mehr ungern ohne Jacke nach draußen. Manche mussten ja nicht nur nach anderen Schiffen Ausschau halten, sondern auch nach den Sternen – was besonders schön ist, wenn sonst nichts leuchtet (auch kein Dampferlicht!). Ich hab auf dieser Überfahrt meine Sternenkenntnisse von praktisch Null auf ganz brauchbar verbessern können. Unser Umweg um die Azoren brachte uns nicht nur 300sm zusätzlich und Kommentare wie: „Fahrt ihr nach England?“ übers Satellitentelefon, sondern auch die Sichtung von einigen Walen. Für uns Walkenner war die genauere Bestimmung kein Problem – zweifelsohne waren da eines Nachmittags zwei Große und ein Kleinerer unterwegs. Delphine begleiteten uns auch immer wieder und schwammen spielerisch und scheinbar mühelos ganz dicht vor unserem Bug hin und her. Ein paar größere Schulen begleiteten uns länger, andere drehten bald wieder ab, als sie merkten dass unser Schiff nicht so flink und wendig ist und nicht spielen kommt.

Noch 1000sm...

Jetzt wurde schön langsam jedem klar, dass das wirklich ein sehr „großer Teich“ ist und alle sehnten sich schon mehr oder weniger nach Land, oder zumindest nach manchen Menschen die darauf leben. Ein aus einer Eierschachtel gebastelter und am Kühlschrank befestigter BH sind Beweis genug... Die letzten 1000sm bringen Nick’s Geburtstag, der mit „Skipperkuchen“, Sekt und frisch gedruckten Blumen gebührend gefeiert wird, aber auch deutlich mehr Seegang und guten Wind aus Nord. Jetzt kommt richtig Hochsee – Stimmung auf! Dünung mit mehr als 6m und zum drüberstreuen bis zu 32kn Wind und der passende Seegang. Immer wieder steht das Cockpit unter Wasser und nicht selten kommt einer triefend vom Rundumblick zurück nach drinnen. Wellen schlagen tagelang gegen das Boot und schießen immer wieder durchs Netz und von den Seiten übers ganze Schiff. Wir sind vermutlich „falsch abgebogen“ und auf diese schlecht ausgebaute Nebenstraße geraten. Der Schlaf ist durch die andauernden, teils heftigen Schläge leicht gestört und alle freuen sich, als wir in die Abdeckung von Portugal kommen. Die Wellen werden kleiner und wir können nach Tagen wieder die klammen Kabinen lüften. Hier macht sich die Meerenge von Gibraltar schon bemerkbar. Gab es am Atlantik noch Tage wo wir kein anderes Schiff sahen, ist hier doch deutlich mehr Betrieb.

Land in Sicht

Alle sind schon gespannt, wann wir Land sehen, als wir unter Passatbesegelung das letzte Stück Atlantik vor uns haben. Kurz vor Mittag ist es dann soweit: die Marokkanische Küste erhebt sich und kurz darauf auch die Spanische – kein großer Unterschied auszumachen. Fotos werden geschossen, aber es soll noch ein paar Stunden dauern bis wir die Grenze zum Mittelmeer überschreiten. In diesem Abschnitt fällt es wohl wie nirgendwo sonst auf, wie sich Afrika und Europa immer näher kommen – praktisch stündlich. Immer wieder kreuzen Katamaran- Jet-Fähren unseren Kurs. Wir sind zwar mit Hilfe der Strömung (gutes Timing) auch mit 11,5kn über Grund unterwegs, doch diese imposanten Dinger schlängeln sich mit gut 33kn durch den laufenden Verkehr und machen dabei ordentlich Radau. Die engste Stelle passieren wir spät abends und sehen den Fels von Gibraltar im letzten Sonnenlicht. Heinz, der uns vier Wochen durchgehend und vorzüglich bekocht hat, stellt die aufgesparten Steaks für unser letztes Abendessen auf den Tisch. Der letzte Bissen ist noch nicht unten, das Glas halb voll, da kommt ein Frachter auf uns zu. Einer von vielen, aber dieser macht keine Anstände uns auszuweichen. Er reagiert weder auf unsere Funksprüche, noch auf die angeleuchteten Segel oder das Blinklicht. Schließlich lässt er doch Gnade walten und ändert reichlich spät nach Absprache mit Martin seinen Kurs. Der 200m Frachter zieht dann mit wenig Abstand an unserer draußen versammelten Mannschaft vorbei... Hallo Mittelmeer!

Endspurt

Jetzt gehts die spanische Costa del Sol entlang. Die ganze Reise schlugen wir uns mit vierstelligen Seemeilenangaben und so-und-so-vielen Wochen herum... Jetzt gehts um Stunden! Die nächtliche von Lichtern gesäumte Küste sieht ganz nett aus, aber dann kommt sozusagen das böse Erwachen. Die Morgendämmerung gibt den Blick auf dicht an dicht stehende Hotels frei. Das ist uns jetzt aber auch egal – die zweimal auf See geflickten Segel runter, Fender raus! Wir legen am Wartepier von Benalmadena an und betreten genau mit Sonnenaufgang wieder festen Boden. Es ist vollbracht. 3859sm in 27,5 Tagen.

Noch zu sagen

Skipper Martin Ranft, der auch den unlesbarsten Wetterfaxkarten noch mehr oder weniger gute Nachrichten entlockt, hat uns mit Nadel und Zwirn, frischem Brot und viel Erfahrung sicher über den Atlantik gebracht. Dafür danken wir Ihm recht herzlich... und bis auf bald an Bord der: VAVA-U

Michael Steiner


Mitsegeln auf der VAVA_U: blu-venture


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