Von Kos nach Athen in einer Woche

... und es geht doch!

„Des geht net"" – „Des kann ja net gehen!" – „Des geht ja gar nie net gut!" So und so ähnlich lauteten die übereinstimmenden Aussagen von Freunden und Bekannten, als bekannt wurde, daß ich von Kos nach Athen segeln wollte – quer durch die Ägäis.

Nicht, daß die treusorgenden Seelen daheim Angst um mich persönlich gehabt hätten – wegen des im Frühsommer manchmal schon recht heftigen Windes, der bei solch einer Tour oft und gerne gegenan steht, oder wegen meines Katamaranes, einer Tobago 35, dem manch Ungläubiger aus Prinzip einfach keinerlei Seetüchtigkeit zutrauen möchte, oder auch, weil die Strecke für nur eine Woche zu weit gewesen wäre ....., nein, die Ursache lag an der Crew. Bei diesem One-Way-Törn sollten mich zwei etwa dreißig Jahre junge Mädels begleiten. Und ich alleine mit den beiden, ohne meine Frau, also ganz und gar den Amazonen ausgeliefert! „Entweder, es gibt an Bord ein Drama, oder anschließend, wenn Du wieder zu hause bist", das war die Ursache für ungläubiges Kopfschütteln! Allen Unkenrufen zum Trotz hatte ich unsere ORION und auch mich selbst schön geputzt und gewienert, um bei den beiden Grazien gleich zu Anfang Eindruck zu schinden.

Am Samstagnachmittag dann machen sich Evelyn und Birgit durch ein zartes „Hallo, wir sind´s, sind Sie der Hans Mühlbauer?" bemerkbar und gleichzeitig mit mir bekannt. „Nicht unfesch" denke ich mir insgeheim, und bitte die beiden an Bord. Evelyn, genannt Evi, hatte schon mal an einem Törn in der Adria teilgenommen – Birgit kennt sich mit ihrer 1000-er Kavasaki besser aus als mit unserem Boot, denn sie ist Neu-Einsteigerin. Das hat man auch beim Einsteigen über das Gangwaybrett bemerken können, obwohl ich ihren Kommentar:" Da bringst mi nimmer drüber! Die nächste Woch bleib´ i an Bord!" nicht ganz so ernst nehme. Zum nahegelegenen Supermarkt und zum leckeren Abendessen gehen wir denn auch von Bord. Sonntagmorgen um fünf läutet der Wecker unbarmherzig. Wie konnte ich nur mit mir selber beschließen ganz früh auszulaufen, um den Damen den Aufenthalt am ersten Tag angenehm und möglichst ohne viel Wind und Welle zu gestalten?! Meist ist ja nachts Flaute und so möchte ich die ersten Stunden des Törns unter Maschine fahren. Aber: Murphy ist mit an Bord! Kaum draußen aus dem Hafen begrüßt uns eine frische 4-5 Beaufort-Brise aus Nordnordwest und läßt unsere Logge auf bis zu 9 Knoten klettern. Unser Generalkurs ist 275 Grad. Die Route führt uns in Rauschefahrt entlang der Nordküste von Kos. Wir passieren Pserimos in Lee und fallen hier auch gleich in das erste Flautenloch. Mit eingerollter Fock und mit den beiden Dieseln motoren wir, bis wir aus der Abdeckung heraus sind. Der nördliche Wind setzt mit bis zu 25 Knoten wieder ein und mit zweitem Reff im Groß und voller Genua jagen wir um 0830 morgens südlich von Kalymnos unserem Tagesziel Levitha entgegen. Den Damen geht es gut, keinerlei Anzeichen von Unwohlsein oder gar Seekrankheit – allerdings findet der zu hause von den mitleidenden Seelen so befürchtete Sexappeal meiner Amazonen nicht statt, die zarten Bademoden bleiben eingepackt. Ist wohl noch zu früh am Morgen, oder noch nicht warm genug, oder das Bordleben ist noch zu neu und ungewohnt, oder..... Ich glaube ja, daß unsere männlichen Bekannten nur neidisch sind auf mich und „meine" Mädels, und unsere weiblichen Freunde bedauern mitleidsvoll meine Gattin.

Wir an Bord haben anderes zu tun. Bis zum Ziel werden wir fast 50 Seemeilen auf dem Zähler haben. Die Tragflügelboote und Fähren sind auch schon unterwegs und wollen beobachtet werden, um eine Kollision zu verhindern. Birgit als Novizin kommt ziemlich schnell mit dem Steuern nach Kompaß klar. Voll konzentriert starrt sie gebannt auf die Nadel und versucht so unseren Kat hypnotisch auf Kurs zu halten. Nach der Passage des südwestlichen Kaps der Insel Kalymnos empfängt uns ein angenehmer Nordwest mit 4 Windstärken, sodaß wir ausreffen und unser Ziel direkt anliegen können. Der Wunsch nach Handschuhen wird laut bei diesem Manöver, denn die weiblichen Fingernägel leiden schon ganz gewaltig beim Hantieren mit den „Stricken". Nachdem Evi als Rudergänger unseren Schiffsnamen ein paarmal ins Kielwasser geschrieben hat kriegt sie unsere ORION in den Griff und auf den rechten Weg, und sie steuert nach den Trimmfäden in der Fock unser Schiff Richtung West zum Horizont. Später dreht der Wind leider noch mehr nach West und schläft auch fast ein. Unsere 2 mal 18 Volvo-Quadratmeter und Schroschi Autohelm, unser elektrischer Mitsegler und Autopilot, sind für Vortrieb und Kurshalten auf dem Rest der Strecke verantwortlich. Kühlschrank und ich danken es ihnen, denn ersterer bekommt ordentlich Strom zum Kühlen und ich bekomme kaltes Bier und eine große Schüssel Salat von meinen Mitseglerinnen. Um 1430 Uhr erreichen wir Levitha. Eine Fahrtenyacht mit einem bayrischen Ehepaar mit Hund liegt hier schon vor Anker. Auch wir lassen den Haken auf 5 Metern Wassertiefe in den sandigen Grund. Levitha ist eine fast unbewohnte felsige Insel westlich von Kalymnos und nördlich von Astipalaya. Eine einzige sichere Bucht mit einigen Verzweigungen befindet sich an der Südküste und bietet Yachties wie auch Fischern Zuflucht. Während der Saison gibt es sogar eine rustikale Taverne zur Freude der Transityachten. Eigentlich hatte ich ja gedacht, daß diese abgeschiedene Insel von nur wenigen Yachten besucht wird (und daß ich mit den Mädels da allein wäre...), aber noch 7 (!) weitere Yachten laufen nach und nach ein und lassen meine Gedanken für den Rest des Tages nur noch darum ranken, daß unser Anker bei den sich kreuz und quer mit Landleinen verzurrenden Booten frei von fremder Kette bleibt. Gabi, meine Frau, und ihre Freundinnen daheim danken es den anderen Yachten ganz bestimmt! Lustig ist es anzusehen, mit welchen Methoden die Landleinen quer zum ordentlich böigen Wind ausgebracht werden: Mit der kompletten und schweren Landleine ans Ufer schwimmen und dann der ankernden und rückwärts aufs Land zufahrenden Yacht entgegenschwimmen – Achterleine mit dem Beiboot rudernd ausbringen, während die Yacht durch den starken Seitenwind abtreibt und der Rudernde samt Dingi an der zukünftigen Landleine mitgeschleift wird – Mit dem Beiboot samt Leine erstmal an Land fahren, die Landfeste befestigen, und dann eine Treffpunktaufgabe mit der vorbeidriftenden Yacht lösen, was der Seitenwind teilweise zu verhindern weiß..... Die erfolgversprechendste Methode scheint nach dem Fallenlassen des Ankers möglichst nahe rückwärts an das Ufer heranzurangieren, dann einen „Kampfschwimmer" mit dem Ende der Landfeste, an das ein großer Palstek geknotet wurde, schwimmend loszuschicken. Der eingelegte Rückwärtsgang hält die Ankerkette stramm und das Schiff weitgehend auf Position. So braucht der Schwimmer keine große Distanz zurückzulegen und kann in kürzester Zeit die Landfeste ausbringen und am Ufer an Baum oder Stein befestigen. Oder einfach frei in der Bucht ankern. Das geht am schnellsten und belastet das Ankergeschirr am wenigsten. Durch dieses Lifeprogramm vergeht der Rest des Nachmittags wie im Fluge und die herzerfrischenden Kommentare meiner Crew zu den verschiedenen Festmach-Methoden entlocken mir und uns so manchen Lacher. Die anschließenden Spaghetti al Pesto sind von erster Qualität und der dazu gereichte Wein zwingt uns schon um 2200 Uhr in die Kojen. Praktisch ist so ein Katamaran ja schon: Die Mädels haben in je einer Doppelkabine einen Rumpf für sich und ich habe den zweiten zu meiner Verfügung. Platz ist also genug. Montag morgen halb acht: Aufstehen, Schwimmen gehen, Morgentoilette und Frühstück stehen auf dem Plan. Das Wasser in der Bucht ist glasklar und nicht unangenehm kalt. Es reicht aber, um den Schlaf aus den Augen zu treiben und um munter zu werden. 280 Grad liegen an. Donoussa heißt das heutige Ziel, 37 Seemeilen entfernt. Die kleine Insel verfügt über nur einen kleinen Hafen an der Südwestküste und über einige geschützte Buchten an der Süd- und Ostseite. Ferner soll es einen der schönsten Strände Griechenlands hier geben. Der Hafen ist unser Ziel, denn wir wollen Essen gehen und beim vielgerühmten Bäcker frisches Brot einkaufen.

Doch zuerst die Arbeit! Schorschi und die Volvo´s sind dran, denn die mageren 4-5 Knoten Wind – auch noch aus West – bringen uns überhaupt nicht weiter. Dafür will mir Birgit die Kunst des Hochseeangelns beibringen, weil sie abends frischgefangenen Fisch essen möchte. Im Mittelmeer bin ich da bisher leider glücklos gewesen – in der Karibik war das anders. Jedenfalls stellt sich heraus, daß meine „Lehrerin" noch nie was mit Angeln zu tun hatte und somit den Unterschied zwischen einem Blinker und einem Wobbler natürlich auch nicht kennt – die Fische wahrscheinlich auch nicht. Jedenfalls endet der heutige Angeltag mit einem Desaster, denn außer einer Plastiktüte kriegen wir nichts an den Haken, und so bleibt die Pfanne kalt. Jetzt, um 1100 Uhr, haben wir Besuch: Die Totenflaute hat uns heimgesucht und ein Delphin gab ein kurzes Gastspiel. Das Wasser liegt bleiern unter uns und sieht aus wie Öl, und meine Damen machen von ihrem Sonnenöl reichlich Gebrauch, um zu hause und im Büro ihre Zebrastreifen am Körper vorzeigen zu können. Um 1200 Uhr queren wir den Schiffahrtsweg, der von Suez zum Bosporus und ins Schwarze Meer führt. Einige Frachter kommen in Sicht, aber keiner uns zu nahe. Nachmittags legen wir mit dem Buganker und zwei Heckleinen an der neuen Pier in Ormos Stavros, dem Hafen der Insel Donoussa, an. Noch sind wir die einzige Yacht hier – abends sind es dann ganze 6 Boote. Evi ist inzwischen als Ankerwinsch-Dompeuse angelernt und hat die Winsch gut im Griff. Birgit schlenzt gleich vom Boot aus eine unserer Achterleinen über den Poller – wohl mal Cowboy gewesen?... Das saubere Hafenbecken ist zwar nach Süden offen, aber 40 Meter Kette bei 4 Metern Wassertiefe werden wohl genügen. Der Anker hält bombig. Die Mädels sind unterwegs – am Strand zum Baden und Sonnen – ich war beim Fotografieren und Filmen. Um 1730 Uhr macht sich ein zuerst leichter, dann zunehmender Schwell am Liegeplatz bemerkbar. Gleichzeitig ziehen von West gewaltige und dunkle Wolkenmassen mit hoher Geschwindigkeit auf. Da braut sich was zusammen! Sogar ein paar Tropfen Regen kommen herunter, als die Wolken den Himmel über uns verdecken! Zum Abendessen verholen wir uns in die nahe Taverne – wir ernten interessierte Blicke: Mann im Mittelalter mit den zwei knackigen Mädels? Was ist das denn? Nach dem Essen hat sich der Schwell etwas beruhigt. Es weht kein nennenswerter Wind, und so gehen wir schlafen. Leider werden wir alle gegen 0300 Uhr geweckt, denn der Schwell hat deutlich zugenommen, der Wind auch. Und das alles von vorne in die ungeschützte Hafeneinfahrt! Uns geht's soweit gut. Wir haben uns mit langen Achterleinen, die alle auf Slip liegen, einige Meter vor den Kai gelegt, was den Schwell erträglicher macht. Als Versicherung sitzen meine neuen und speziellen Heckfender ganz hinten, was mich etwas beruhigt. Bei unseren beiden Nachbarbooten halten die Anker nicht, das luvwärtige Boot legt sich bedrohlich und mit vollem Gewicht auf die Fender unserer Steuerbordseite, und beide Segelyachten machen schließlich einen Alarmstart und legen ab. Die eine Crew sagt sich wohl, daß jetzt die Nacht sowieso schon vorbei ist, und sie laufen aus. Die Mannschaft der anderen Yacht hingegen versucht ein neues Anlegemanöver. Das klappt aber nicht so ganz: Sie bekommen keine Achterleine an Land und liegen dann für einige Zeit frei ankernd im Hafenbecken. Eigentlich nicht schlecht. Aber dann passiert´s: Mit dem Beiboot bringen sie eine Leine an Land und dann versuchen sie die Yacht mit dem Heck zur Mauer zu ziehen. Und jetzt slippt der Anker! Zu allem Überfluß (Murphy ist auch dort!) blockiert ein Tampen die Schiffsschraube und so gelingt es der Crew nur, daß sie die Yacht längsseits an den Kai zerren. Das aber ist äußerst fatal, denn der Schwell läßt das Boot bis zu einem Meter hoch am Beton auf- und abtanzen! Einige rasch zusammengesammelte Autoreifen verhindern zum Glück, daß der Schiffsrumpf gegen die harte Mauer geschleudert und leckgeschlagen wird. Normalerweise würde ich jetzt schnell mal schnorcheln gehen und den Prop klarieren, aber jetzt würde die Yacht nur mit voller Wucht auf mich draufknallen, wenn ich in der Dunkelheit abgetaucht bin – das wäre selbstmörderisch. Ein Fischer mit einem großen Kaiki macht sich daran die Yacht an den Haken zu nehmen und von der Mauer wegzuschleppen. Auch wir haben inzwischen mit uns selbst in dieser Mausefalle zu tun: Unsere Motoren laufen mit eingekuppelten Propellern mit, um den Anker zu entlasten, denn man weiß ja nie wie lange er noch hält..... Die Crews der übrigen Yachten, bei denen die Anker bis jetzt halten, kümmert dieser Schwell wenig und sie schlafen in ihren heftig schaukelnden Booten ruhig weiter. Um 0500 Uhr morgens, als die Dämmerung anbricht und die turbulente Szenerie in fahles Morgenlicht getaucht wird, laufen wir aus.

Das Ablegemanöver klappt einwandfrei. Draußen auf der offenen See empfängt uns zwar eine ruppige Welle, aber die 5 Beaufort aus Südwest verhelfen uns zu einem Anliegekurs zur Nordostspitze von Naxos und weiter nach Mykonos, dem Muß-Ziel meiner Mitseglerinnen. Nach der Hälfte der Strecke flaut der Wind um eine Windstärke ab und das Groß im zweiten Reff und die volle Genua verhelfen uns zu einer schnellen und komfortablen Reise. Schon um 1100 Uhr und nach 35 Meilen lassen wir in Ormos Ornos, einem beliebten Ankerplatz an der Südküste von Mykonos, unseren Anker in Ufernähe fallen. Doch von wegen Hully-Gully in Mykonos – Mädchen in knappen Tangas und so! Nichts dergleichen sollte sein (Murphy ist immer noch dabei)! Einem jungen griechischen Mann am Ufer hat wohl unser Abstand von etwa 60 Metern zum Ufer nicht gefallen. Er macht auch sofort Politik, mobilisiert einige Touristen, die auf ihren Liegestühlen gebraten hatten, und er deutet mir, daß ich „zu nahe am Ufer sei". Keine Ahnung, was „zu nahe" in Metern ist, aber ein Grieche weiß das halt..... Nach Zuschleudern einiger eindeutiger Handbewegungen vom Strand aus in unsere Richtung und wüster Gesten kann ich nicht riskieren die Damen an Land zu bringen, denn die aufgescheuchte Touristenschar hat bereits begonnen „ihren" Strand zu verteidigen, und meinen Mädels würde ein Landungsversuch schlecht bekommen. Sei´s drum, der Wind – Äolus hat eingegriffen – hat inzwischen auf Süd gedreht und steht voll in die Bucht. Nichts für ORION und uns – besonders nicht nach der letzten Nacht. Wir gehen also Ankerauf und fahren unter Maschine die 5 Meilen in den Haupthafen von Mykonos. Um 1400 Uhr sind wir da. Dieser Hafen hat´s aber auch in sich: Entweder bläst der Meltemi von querab über die vor Buganker liegenden Yachten oder der Westwind steht von vorne drauf, oder die ganztägig ein- und auslaufenden großen Fähren wirbeln mit ihrem Schraubenwasser Yachten und Anker ordentlich durcheinander. Ganz abgesehen von dieser unsäglichen hohen „Landungsbrücke", an welcher die Boote an nicht vorhandenen Ringen oder Pollern festmachen müssen..... Jedenfalls: Für Aufregung ist gesorgt und mein geplanter Mittagsschlaf gestrichen. Bis 1800 Uhr bin ich beschäftigt die später einlaufenden und beim Anlegen quer driftenden Yachten von ORION`s Bordwänden abzuhalten.

Die Damen sind inzwischen zum Baden und in die Stadt zum Bummeln. Die PENELOPE, eine der großen Fähren im Liniendienst, hat inzwischen abgelegt und die Anker der Freizeitschiffer auf die Probe gestellt – mit positivem und negativem Ergebnis. Jedenfalls sausen einige Crews wie die aufgescheuchten Hühner über ihre Boote und bringen Zweitanker mit dem Dingi aus. Das hat den Vorteil, daß der im Hafenhandbuch niedergeschriebene tägliche Ankersalat jetzt angerichtet wird. Kreuz und quer werden Ketten, Leinen und Springs wie ein Strickmuster gelegt, was das neben mir liegende französische Ehepaar zu einem Blitzstart unter Absingen schmutziger Lieder veranlaßt. Nachdem sie gleich beide Anker ihres backbordseitigen Nachbarn entwirrt haben verlassen sie fluchtartig den Hafen und suchen sich einen ruhigen Ankerplatz irgendwo anders – eine weise Entscheidung, wie sich noch zeigen wird. Mein backbordseitiger Nachbar, eine Sun Magic mit einer polnischen Crew, hatte sich meinen Wasserschlauch ausgeliehen zum Füllen der Tanks und zum Duschen. Aber nach kurzer Zeit schon drehte der „Wassermann", ein Gemeindebediensteter, den Hahn zu mit der Begründung, daß es erst morgen früh wieder Wasser für die Yachties geben würde. Amüsant waren dann die Versuche meiner Nachbarn auch noch die letzten Tropfen aus dem Schlauch zu bekommen. So wurden zum Beispiel sämtliche Anschlußstücke abmontiert! Um 2030 fegt die erste Bö aus West ungehindert durch den Hafen. Der Schwell wird binnen Minuten höher und höher und erreicht locker die Amplitude der vergangenen Nacht. Das kann ja heiter werden! Wären wir jetzt komplett an Bord so könnten wir noch mit dem letzten Sonnenlicht ankerauf gehen und fremdes Ankergeschirr klarieren, falls nötig. Aber wir hatten einen freien Abend und keine Uhrzeit für einen Treffpunkt vereinbart, und so sitze ich hier wie festgemauert. Wenn ich nur sicher wüßte, daß der Nachbar mit seiner Kette nicht über meiner liegt, dann könnte ich auch einhand ablegen und mir auf der anderen Hafenseite, bei den Tagesausflugsbooten, einen Nachtplatz suchen. Aber mit dieser Ungewißheit im Nacken erscheint mir das Risiko zu groß. Also warte ich..... Gegen 2200 Uhr ist die Mannschaft glücklicherweise wieder komplett. Erst jetzt fällt mir ein, daß ich ja schnorcheln gehen könnte, um zu sehen, ob unsere Ankerkette frei ist – zu blöd, daß mir das jetzt erst einfällt! Trotzdem gehe ich mit Taschenlampe bewaffnet ins Wasser. Nur, es ist zu trübe um was erkennen zu können. Und 40 Meter weit am Grund an der Kette entlang zu schwimmen – dazu habe ich nicht die Puste. Etwas Positives hat dieser nächtliche Tauchgang doch: Ich entdecke, daß sich eine große Plastiktüte um den Steuerbordpropeller gewickelt hat. Das kann ich schnell klarieren und beide Maschinen sind wieder voll einsatzfähig. Und da kommt die Rettung!: Eine große Fähre legt an und macht mit ihrem mächtigen Schiffskörper Lee am Yachtliegeplatz. Das ist unsere Chance! Wir lösen unsere auf Slip liegenden Achterleinen und gehen Ankerauf.

Und wir haben Glück: Keine andere Ankerkette liegt über der unsrigen. So können wir bequem unser Eisen einholen. Auf der gegenüberliegenden Hafenseite, an der Innenseite des Wellenbrechers, sind die vor Wind und Welle geschützten Liegeplätze, die normalerweise für die einheimischen Ausflugsboote reserviert sind. Aber jetzt, mitten in der Nacht, findet kein Bootsverkehr mehr statt. Wir haben genug Raum, um längsseits gehen zu können. Dank Vor- und Achterleine, Vor- und Achterspring und ablandigem Wind, der uns von der Mauer weghält, genießen wir die ruhige Nacht, wenn auch gelegentliche fein zerstäubte Gischt, die über den Wellebrecher spritzt, unseren Katamaran langsam einsalzt. Der Wind steht die ganze Nacht durch mit etwa 20 Knoten und einem häßlichen Seegang, der sich mit voller Wucht am Wellenbrecher bricht. Morgens um sieben ist die Welt nach ruhigem Schlaf wieder in Ordnung. Ironie des Schicksals: Die große Fähre bleibt die ganze Nacht im Hafen liegen und beschert auch allen anderen Yachties ruhigen Schlaf. Aber wer weiß das schon..... Der Wind hat gedreht auf Westnordwest bis Nordwest, und er hat etwas abgeflaut. Für uns Grund genug uns so schnell als möglich auf den Weg nach Loutra auf der Insel Kythnos zu begeben. Knappe 50 Seemeilen stehen an. Unter gerefftem Groß und mit Maschine schieben wir uns fast genau gegen den Wind um die Nordspitze von Rineia herum. Dann können wir abfallen und Vollzeug setzen. Die Etappe führt als nächstes um die Südspitze von Syros herum. Nach dem Durchgang der Kaltfront heute nacht ist die Sicht wunderbar, die Luft äußerst klar. Die Häuser auf Syros erscheinen zum Greifen nahe, wenn uns auch noch 2 Stunden Fahrt davon trennen. Auch die Bergkulissen der Inseln Naxos, Paros und Tinos zeichnen sich scharf vom blauen Himmel ab. Nach Passieren von Syros hilft uns ein kleiner Privatwind aus Nord, daß wir Loutra, das ja an der Nordostecke von Kythnos liegt, direkt anliegen können. Aber leider nicht lange, denn aus dem Wind wird ein Hauch und dieser verlangt nach Motorunterstützung. Um 1600 Uhr sind wir da. Der Hafen von Loutra hat sich seit letztem Jahr kräftig gewandelt, denn eine Pier und ein massiver Steg wurden betoniert und bieten etwa 40 Yachten sichere Liegeplätze. Uns ist das zu eng und so legen wir uns an eine Boje in der benachbarten Bucht. Der Bojenbesitzer, der Wirt der naheliegenden Taverne, erwartet uns freudig, als wir zum Abendessen kommen. Der Tag klingt aus bei Fisch vom Grill und Retsina vom Faß. Um elf liegen wir in der Falle – also wieder keine Chance für Romanzen an Bord! Heute wird ausgeschlafen, denn nur eine kurze Strecke von etwa 17 Seemeilen liegt vor uns: Kap Sounion soll´s heute sein. Dieses Kap markiert den südöstlichsten Punkt des griechischen Festlands. Im Poseidon-Tempel auf der Anhöhe opferten die Seefahrer in früherer Zeit ihrem Gott und baten um gute Winde sowie um eine glückliche Rückkehr aus der Region der stürmischen Kykladen. Schon in aller Früh hatte sich er Wind aus nördlichen Richtungen mit Böen in der Bucht bemerkbar gemacht. Wir drei frühstücken ausgiebig, bereiten Wetterjacken und Automatik-Rettungswesten vor, und laufen aus. Die ersten 3 Meilen bis zur Nordspitze von Kythnos unter Maschine. Schlagartig wird's naß an Bord, denn die kurze und steile Welle kommt genau von vorne und mehrmals tauchen beide Bugspitzen komplett unter und schaufeln grünes Wasser über das Schiff. So bleiben auch wir im sonst so geschützten Cockpit nicht verschont. Aber das Kap ist schnell erreicht, der neue Kurs von 280 Grad liegt an und halber Wind schiebt uns nur unter Genua mit bis zu 7 Knoten nach Westen. 3 Seemeilen später geraten wir zunehmend in die Landabdeckung der Insel Kea, deren mächtige Felsen hoch und steil aus dem Meer ragen und uns den Wind wegnehmen. Also müssen die Volvo-Quadratmeter herhalten und unsere ORION aus der Landabdeckung hinausschieben.

Die letzten 10 Seemeilen bis zum Kap Sounion hatte ich mir eigentlich frischen Nordwind gewünscht, so wie er hier auch meist bläst, aber Murphy hat wohl mit Äolus, dem Windgott, ein Bierchen getrunken, denn aus der frischen Brise wird schnell ein Hauch, der zu unserem Pech auch noch aus Nordwest kommt. Und so schieben uns die Motoren durch das Wasser. Wir queren das Drehkreuz der Großschiffahrt. Hier trifft die Schiffahrtslinie vom Peloponnes zum Schwarzen Meer mit der Strecke von Athen ins östliche Mittelmeer zusammen. Ein ganzes Rudel Fähren, Tanker, Stückgutfrachter etc. passieren, queren und drehen in diesem Bereich – wir sind mitten drin und halten uns frei. Um 0300 Uhr Nachmittags tuckern wir in die Ankerbucht unterhalb des Tempels. Trotz intensivster Angelbemühungen blieb uns der Fisch in der Pfanne auch heute versagt – Was mache ich bloß falsch? Oder: Kann sich nicht mal wenigstens ein einziger Fisch meiner erbarmen?! Der Anker fällt auf 8 Meter Wassertiefe und mehr als 45 Meter Kette halten beim massiven Eingraben mit beiden Maschinen unseren Katamaran unverrückbar auf der Stelle. Die Mädels verlangen an Land gebracht zu werden, um sich am Strand zu räkeln und später hinauf zum Poseidon-Tempel zu wandern und den (angeblich) schönsten Sonnenuntergang Griechenlands zu bewundern. Ich bleibe an Bord und schreibe den ersten Teil dieses Artikels, weil die Eindrücke noch so frisch und unverfälscht sind. Als es dunkel ist sind wir alle wieder an Bord vereint und hungrig. Ich selbst darf heute die Spagettisoße kochen und es wird eine schmackhafte Mixtur aus geschälten Tomaten, einer Zuchini, Zwiebel, Knoblauch, kleingeschnittener Salami=Hackfleischersatz, Gewürzen, Kräutern, Wein, und einem Klecks Philadelphia-Frischkäse – er macht die Soße so sämig. Es wird die Version „Spaghetti con tutto ala Giovanni di ORION". Der alsbald leere Topf bestätigt die Schmackhaftigkeit meiner Creation und wir sitzen noch ein Weilchen auf dem Boot im Schein der Windlichter, kucken uns Mond und Sterne an und gehen bald schlafen. Freitag früh gemütlich aufstehen, das obligatorische Morgenbad nehmen, Frühstücken und dann auslaufen – das ist inzwischen Bordroutine. Der ablandige Wind beschert uns glattes Wasser und unter Vollzeug preschen wir mit bis zu 10 Knoten Speed nach Westen, Athen entgegen. Aber, weil Murphy immer noch bei uns weilt, leider nicht lange. Der Wind dreht auf Nordwest und flaut mal wieder ab. Als Äußerstes wäre noch Ägina, eine Insel südlich von Athen, mit etwa 4 Knoten Geschwindigkeit anzuliegen. Aber das hilft uns nichts! Die letzten Meilen werden zum Batterieladen und Getränkekühlen verwendet. Alle 5 Minuten braust inzwischen ein Flugzeug über uns hinweg auf seinem Leitstrahl zur Landebahn des Athener Flughafens – so macht sich das Ende des Törns geräuschvoll bemerkbar. Bald taucht auch die Kulisse der riesigen Stadt auf. 12 Millionen Einwohner wieseln hier durch die Straßenschluchten – fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung Griechenlands.

Kein Wunder, daß viele Leute stressgeschädigt sind, was wir gleich noch erleben werden: Die Marina Alimos ist unser Endziel. Sie ist der größte Yachthafen des Landes und beherbergt im total überfüllten Hafenbecken auch die größte Ansammlung von Charteryachten. Sie hat aber auch einen großen Nachteil, denn für Gastlieger gibt es keine Plätze. Und so wird man jedesmal, wenn man in eine freie Lücke einparken möchte, meist weniger höflich aber unmissverständlich aufgefordert woanders hinzufahren, denn hier sei privat etc. .... Und so irrt man dann durch den Hafen. Heute möchte ich diese Situation vermeiden. Wir rangieren mit unserem Kat bis unmittelbar vor das Marinabüro und fragen direkt nach einem Liegeplatz. Ein älterer und freundlicher Mann gibt uns bereitwillig Auskunft: An der Pier 1 wären genug freie Plätze – wir sollen uns nur einen aussuchen. Prima! Das klappt ja wunderbar! Ein schöner Platz lacht uns an und gleich darauf sind die Leinen fest. Und schon steht auch ein Grieche mit eindeutigen Posen vor uns, erklärt, daß dies alles seine Plätze seien und wir zu verschwinden haben. Mein Einwand, daß die Marinaleitung uns hierher geschickt hat, wird mit der Äußerung, daß er uns gleich die Leinen durchschneiden würde, außer Kraft gesetzt. Gleich darauf weist uns ein weiterer Marina-Angestellter einen anderen Platz zu. Nachdem alle Leinen fest sind kommt ein Grieche mit bestimmenden Worten und erklärt, ..... ja was denn wohl?! Jetzt reichts! Der Marina-Geschäftsführer ist nicht da, aber dicke Luft im Marinabüro. Lautstark wird diskutiert – über uns, wie ich mitkriege. Irgendwann darf ich dann auch was sagen. Man ist verständig. Aber wir sollten uns an einen anderen Liegeplatz verholen, direkt vor dem Marinabüro!!! Exakt da sind wir drei Stunden vorher schon gewesen! Also gut, auch das machen wir, wenn nur endlich Ruhe herrscht. Apropos Ruhe: Zurück an Bord treffe ich auf zwei völlig aufgelöste Mitseglerinnen, die von zwei Männern auf der Pier aufs wüsteste beschimpft wurden. Sie, und auch ich, werden als arrogant, Lügner und A.... bezeichnet – ..... ich liebe Griechenland! Naja, nach erneutem Rangieren liegen wir jetzt rwohl richtig, die Marinaleitung hat sich entschuldigt und uns die Liegegebühren erlassen. Wenigstens ein kleiner Trost für das Spießrutenlaufen. Als Fazit nehmen wir allerdings die Erkenntnis mit nach Hause, daß dieser Yachthafen für nicht hier beheimatete Boote völlig ungeeignet ist. Leider gibt es in dieser Gegend auch keine Alternative. Das trübt den sonst so harmonischen Törn doch ein wenig. Aber zurückschauend können Crew und ich nur sagen: Wir hatten einen schönen Törn mit einer außergewöhnlichen Route, die nur von wenigen Yachten besegelt wird. Insgesamt 230 Seemeilen haben wir zurückgelegt. Gerne wären wir auf unserem Generalkurs von etwa 270 Grad weitergesegelt, nach Gibraltar, Atlantik, Karibik, ..... Wir hatten gute und meist auch passende Winde, sodaß sich der Motoranteil in Grenzen hielt. Aufregungen durch ungastliche Menschen, nächtliche Winddreher mit Schwell, Fähren, unklare Wetterlagen, und für die Mädels der erste Törn über offenes Wasser, die Gangway als Hindernis und das Bordleben an sich verpaßten dieser Reise Abenteuercharakter. Und was das Zwischenmenschliche betrifft: Ein bißchen flirten muß sein, die eine oder andere bewundernde Bemerkung hält das Bordbarometer auf Höchststand und bauchpinselt Crew und Skipper, und dank der zwei Rümpfe hat ja jeder seinen eigenen Bereich. Meine Frau weiß das.

Planung und Durchführung: Es standen die deutschen Seekarten D 606, 614, 613, 673, 671, 677, 672 zur Verfügung. Als Hafenhandbücher kamen der „Greek Waters Pilot", Hafenhandbuch IV der KA und der „Radspieler" zum Einsatz. Navigiert wurde terrestrisch sowie mit 2 Stück GPS Garmin 45 und 65. Für das Wetter wurden durchgehend Navtex-Meldungen und der Seewetterbericht von Radio Austria International empfangen. Beim Queren der Schiffahrtslinien war UKW Kanal 16 in Hörbereitschaft. Die Routentaktik war, daß möglichst auf dem Generalkurs geblieben werden sollte. Auf Wunsch der Mitseglerinnen war Mykonos ein erklärtes Etappenziel. Bei gravierenden Winddrehungen wäre als Alternativroute eine Strecke nördlich oder südlich des Sollkurses in Frage gekommen.
Zu Schiff und Skipper: Unsere ORION, eine Tobago 35 aus der französischen Werft Fountaine Pajot, ist Baujahr 1994. Sie verfügt über 2x18 PS Volvo-Dieselmaschinen. Funk, Navtex, GPS, Autopilot, 2 Beiboote mit Außenborder, komplette Sicherheitsausrüstung mit Notsignalen, Automatic-Rettungswesten mit Lifebelts, Rettungsinsel etc. sind an Bord. Hans Mühlbauer, Inhaber des C- und des Hochseeschiffer-Scheins und auch des allgemeinen GMDSS-Funkzeugnisses, ist etwa 6 Monate pro Jahr auf den Weltmeeren unterwegs. Seine reiche Erfahrung gibt er gerne an die Törnteilnehmer weiter.
Zum Veranstalter: DMC-Reisen – Deutsches Mitsegler Centrum – veranstaltet seit mehr als einem Jahrzehnt SEGELN AKTIV! -Mitsegel- und -Flottillentörns für Mitsegler und Selbstfahrer jeden Alters mit und ohne Segelerfahrung in Mittelmeer, Karibik und Australien. Sowohl Einzelkojen als auch komplette Yachten jeder Größe können für ein- und mehrwöchige Erlebnistörns gebucht werden.

Das gesamte Angebot inclusive vor-Last-minute-Angeboten findet sich auch im Internet. Katalog gibt es kostenlos bei:
DMC-Reisen
Deutsches Mitsegler Centrum Kurt-Schumacher-Straße 71, 86165 Augsburg
0821-71 11 -24, fax -26, mobil 0171-36 97127
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