Mit der Maldives 32 unterwegs

Aus der Bucht von Volos via Korfu, dann weiter durch die Straße von Messina nach Sizilien, Sardinien, Formentera und schließlich bis nach Almerimar, nahe Almeria, ging im letzten Jahr unsere erste Etappe. Dort wurde das Boot für 9 Monate an Land gesetzt. Endlich war es wieder soweit. Am späten Abend kamen wir, Wolfgang und ich in Almerimar an. Bereits 2 Tage später wollten wir eigentlich lossegeln. Ein etwas zu frommer Wunsch. Das Boot sah innen und außen wie eine Sandkiste aus. Schnell wie Meister Propper, wohl nur nicht so gründlich, machten wir uns ans Wischen und Putzen. Nach dem Auftakeln dann ran an die Technik. Alles schien in bester Ordnung. Zwei Batterien wurden getauscht und der Motor inspiziert. Öl, Wasser OK. Wieso verflixt ist Hydrauliköl in der Maschinenwanne und fehlen zwei Liter Öl im Sammler? Blutdruckerhöhende Diagnose: Der Ölkühler hat ein Leck. Mit mediterianer- spanisch/italienischer Gelassenheit wurde uns von Paolo ein neuer Pkw - Ölkühler versprochen, null Problemo. Dabei blieb es. Ein neuer Kühler war nicht aufzutreiben. Nun wurde versucht, den Kühler zu dichten.

Fehlschlag. Das neue Hy-Öl wurde geliefert, jedoch nicht von Paolo. Sicherheitshalber hatte ich bei dem holländischen Bootsausrüster nochmals die gleiche Menge bestellt, aber was tun ohne Ölkühler ? Der Konstrukteur der Anlage war noch für zwei Wochen im Urlaub und wir hatten bereits 6 Tage mit Reparaturversuchen und Wartezeit vertan. Die Zeit drängte. Deutschland war noch weit. Unsere Blicke waren so traurig, als hätten uns Hühner das Brot geklaut. "Also gut. Das Boot kommt in den Bach und es wird ausprobiert, wie lange wir ohne Kühler fahren können. Die Kühlflächen der Antriebsgondeln und des Ölsammlers sind recht groß. Schlimmstenfalls muß in Gibraltar ein Außenborder gekauft werden. Immer noch billiger, als 4300.- f (natürlich ohne Travelliftkosten) in Almerimar für ein weiteres Jahr zu berappen. Kleine Preiserhöhung, Spaß muß sein, Segler haben's ja. Almerimar ade.

Die Motorschallkapselung baute ich ab und ein weiteres Thermometer für die Ölüberwachung an. Zwischen 45' und 65' C soll die Betriebstemperatur liegen. Kurzzeitig kann die Anlage bis 90' C gefahren werden. Bereits zwei Stunden fuhren wir halbgas unter Maschine. Nicht nur die Sonne trieb mir den Schweiß auf die Stim. Hy-Öltemperatur um 40' C. Nun wollten wir es wissen. Den Diesel auf 3300 Touren, fast Vollgas gebracht und abgewartet. Irgendwann 47 - 48 - 49' C. Bei etwas unter 55' C stabilisierte sich die Temperatur. Jubel, Freudentaumel, Senf an die Decke, Bier raus ! Die Begeisterung kannte kaum noch Grenzen. Es funktioniert auch ohne Kühler, die Anlage ist vollgasfest. Prost, - auf den Konstrukteur. Die Schallkapselung angebracht und es wurde wieder ruhig im Boot. Motor zurück auf 2700 Umdrehungen, Marschfahrt.

Stunde um Stunde grummelte die Maschinenanlage vor sich hin. Im Steuerbordrumpf stank es wie nach verfaulten Eiern. Der Gestank wurde beißend. Die alten Socken waren sicher in Plastiktüten verstaut, die Ursache mußte woanders liegen. Ich faßte den Starterakku an. Er war heiß. So heiß, daß ich meine Hand nur kurz daran halten konnte. Sicherheitshalber hatte ich noch einen weiteren neuen Akku zusätzlich gekauft und baute diesen ein. Nie wieder wartungsfreie Akkus. Die Dinger haben den entschiedenen Nachteil, daß die Säuredichte nicht zu prüfen ist. Weiter ging es. Traumhaftes Wetter, herrlicher Segelwind. Er blies uns dummerweise genau auf die Nase. Nach 35 Stunden unter Maschine erreichten wir nachts Gibraltar. Vor La Linea biß sich der Anker in den Grund. Großes Hallo am nächsten Morgen. Michael, mit seiner geräumigen Privileg 37, lag wie vereinbart, einige Meter weiter ebenfalls vor Anker.

Eine portugisische Gastlandflagge war bisher nicht zu bekommen. Mit seinem superflinken Schlauchboot fuhr Michael nach Gib und versuchte dort für uns so ein textiles Flächengebilde der Achtung und des freundschaftlichen Grußes zu erwerben. Eine Stunde Wartezeit beim Schiffshändler und dann noch ohne Erfolg.

Als Trost servierte uns Michael am Abend prima Bratkartoffeln und Bier. Flaute und Wasser wie Blei am nächsten Morgen. Die Luft leicht diesig. Der Affenfelsen versteckte sich hinter Wolken. Erst Stunden später schob uns ein feiner Ostwind durch die Straße von Gibraltar. Vor Tarifa briste es auf. Herrliche 4 -5 Bft. aus SE bliesen uns in Richtung Portugal. Hinter den weißen Schaumköpfen der See versteckte sich ein kleines, weißes Motorboot so gut, daß wir es beinahe übersehen hätten. Die Sonne ging unter und auch der Wind machte Feierabend. Es dieselte mal wieder die ganze Nacht hindurch.

Die Bordschuhe standen zwar in der Plicht, doch hatte Neptun uns keine portugisische Gastlandflagge hineingelegt, hat wohl gedacht :"Näh'doch selber!" Das war's. Ich zerschnippelte die italienische Gastlandflagge und nähte daraus eine portugisische. Nicht schön, nicht groß, aber zweckmäßig. Das Emblem hatte zwar keinen güldenen Rand, aber die Flagge hing ja sehr hoch. Wiederum nachts gingen wir in der Bucht bei Lagos vor Anker und machten morgens am Versorgungsschlengel in der Stadt fest. Die Tanks waren fast leer. Auch aus den Kombüsenschapps mußte noch die Luft entweichen. Nach einigen Stunden Liegezeit am Hotelschlengel sollten wir nun Liegegeld berappen. Die hübsche Kassiererin erließ uns jedoch die Gebühr. Wie Danke, Bitte, gutenTag und auf Wiedersehen auf portugisisch heißen, wollte ich wissen. Es folgte ein kleiner Crashkurs. Das Angebot, von ihr portugisisch zu lernen, lehnte ich dann doch ab ( ... Seemans Braut ist die See ... eigentlich schade).

Das Cap s.Vincente , drei Stunden von Lagos entfernt, begrüßte uns mit flotten 8 Bft. Wie erwartet, direkt auf die Nase, falls wir es wagen sollten, unsere Gesichtserker ums Cap zu stecken. Wir ankerten und lauerten in einer hübschen Bucht auf "Wetterbesserung." Nun befanden wir uns in der Gegend, in der für die nächsten Tage der Portugisische Passat oder auch Portugisischer Norder genannt, den Ton angibt. Gegen die hohe Atlantikdünung und durchweg Bft. 3-4 motorten wir nach Peniche, einige Meilen hinter Lissabon. Lediglich zwei, von insgesamt 46 Stunden dorthin, konnten wir segeln. Gerne hätte ich nachts eventuelle thermische Winde, dicht unter der Küste genutzt, aber die Angst, in dem Drahtseil eines Thunfischnetzes als lohnender Beifang hängen zu bleiben, ließ uns doch rund 10 Seemeilen Abstand von der Küste halten. Auch dort ging die Jagd nach den Meeresbewohnem eifrig weiter. Wiederum nachts erreichten wir unser Etappenziel Peniche um Diesel zu bunkern. Insgesamt, mit Reservekanistern, hatten wir rund 130 Liter Sprit zur Verfügung. Etwa 1,8 Liter verbrauchten wir pro Stunde. Nach einer sehr gründlichen Kontrolle unserer Papiere durch den portugisischen Zoll liefen wir gegen Mittag wieder aus.

Vor einigen Tagen hatten wir auf See eine Mottenplage an Bord. Fast überall ließen sich diese flatterhaften Tierchen nieder und verendeten . Nun sind es Fliegen. Fliegen in Mengen. Beim Verenden mußten wir jedoch kräftig nachhelfen. Im Boot roch es nach Diesel. War ein Kanister undicht ? Etwa die Dieselleitung defekt ? Der Geruch wurde immer penetranter. Bald sahen wir die Ursache. Irgendein Schiff hatte vermutlich seine Maschinenbilge gelenzt oder Tanks gewaschen. Wir fuhren durch einen Diesel- und Ölsee. So ein Ferkel, kippt das Zeug ins Wasser. Das wird ich dem Kanzler sagen oder dem Jürgen. Gegen abend ließ der Norder nach, bald schlief er gänzlich ein. Leichter Südsüdwestwind kam auf. Schnell die Segel gesetzt. Aus dem Südsüdwest wurde Südwest. Jetzt aber mit Macht. Eine Boe von über 3 0 kn. blies wie aus dem Nichts in die Segel. Die neue "Zweigang - Schot" mit wahlweise 3-facher oder 6-facher Untersetzung hatte ihre Tücken. Versehentlich löste ich beide holenden Parten um das Groß zu fieren und hatte somit nur eine 3-fache Untersetzung als die Boe einfiel. Die weißen Bremsspuren von der Schot in meiner rechten Hand waren noch einige Tage zu sehen und erinnerten mich etwas schmerzhaft an meine Schusseligkeit.

Fast 24 Stunden durften wir unter Segel unseren Weg nach Norden machen. Eine Wohltat für die Sinne. Kein Motorgeräusch, nur das Rauschen der Wellen, die funkelnden Sterne über uns und natürlich das Surren der Selbststeueranlage. Weniger romantisch, aber Faulheit siegt. So schön kann Segeln sein. Immer weiter, weiter, solange Poseidons Puste reicht. Aber lieber wäre mir die andere Richtung, mal über den großen Teich. Abwarten. In der Nacht verloren die Versorgungsbatterien auffällig an Leistung. Die Starterbatterie war jedoch voll. Diagnose des E-Bordingenieurs Wolfgang: "Diode im Eimer." Kein Problem, alle Batterien wurden parallel geschaltet. Wochen später stellte sich zum Glück heraus, daß nur ein Draht von der Diode ab war. Hinter Cap Finisterre, dem Ende der alten Welt, wurde es dick. Unter Radar tasteten wir uns vorsichtig weiter nach Norden. Kunststoff- oder Holzboote geben ein schlechtes Echo und werden kaum, eher gar nicht, wahr genommen, also gut Ausschau gehalten. Gegen Mittag liefen wir in Camarinas, Nordspanien ein. Fast wie in Schweden, sattes Grün auf den Bergen, karge Felsen, kleine Buchten von Stränden gesäumt. Die Wirtin des Club Nautico bereitete uns ein leckeres Fischgericht. Wolfgang kaute den Seeteufel mit "langen Zähnen'. Es geht doch nichts über Miracoli und nur mit Maggi macht das Kochen richtig Spaß. Ich langte dafür doppelt zu.

Nach den obligatorischen Deutschlandtelefonaten wurde der Einkaufsbummel gestartet. Überrascht bemerkte ich, daß Camarinas eine Hochburg der Klöppelkunst ist. Nun fanden sich leicht einige Mitbringsel für mein Mädel in Deutschland, die uns immer so nett mit den neuesten Wettervorhersageversuchen des Deutschen Wetterdienstes versorgte. Irgendwie scheinen Meteorologie und Astrologie etwas gemeinsam zu haben. Übrigens, wem der Palstek, ein Vierkantplatting oder ein Türkenbund zu schwierig erscheint, sollte es mal mit Klöppeln versuchen. Aus dem Nordwind wurde leichter Westwind. Am späten Abend liefen wir in die Biskaya aus. Bis in die Nacht mußte jedoch motort werden. Hoch am Wind machten wir unter Segel dann doch noch gute Fahrt.

Ein wenig mulmig war mir schon beim Gedanken an den Übergang, dem Festlandlandsockel und Flachwasserbereich auf der anderen Seite der Biskaya, falls der Wind für eine Überraschung sorgen sollte. Damals, gerade mal 15 Lenze war ich jung und frisch von der Mosesfabrik (Seemannsschule = 3 monatige Berufsschule für angehende Seeleute) befand ich mich vor Landsend, in Höhe der Scilly - Islands, auf einem kleinen KüMo. Alle 5 Mannschaftsmitglieder befanden sich, Order vom Alten, auf der Brücke. Der Moses und der Leichtmatrose hatten eine Rettungsweste, dessen Innenleben aus Kapock war, anzulegen. Kapock als Auftriebsmaterial treibt zwar nicht all zulange gut auf, hält aber schön warm. Volle Windstärke 10 von vom, das KüMo machte Fahrt achteraus. Die See war beeindruckend. Steil und hoch und prägend. Bis heute, 35 Jahre danach. Wir hatten Holz aus Skandinavien nach England mit Deckslast geladen. Holz brauchten die Engländer. Viele englische Wälder liegen ja vor Trafalgar oder sonstwo auf dem Meeresgrund. Die Deckslast rutsche leicht. Der Steuermann und der Matrose mußten hinaus auf die Deckslast und die Spannschrauben nachsetzen um nicht nur die Ladung zu retten.Ein kreischendes Geräusch, ein Schütteln des Antriebblockes riß mich aus dem Schlaf. Sofort wurde der Motor abgeschaltet. Was war dieUrsache ? Die Schallkapselung wurde abgenommen. Kühlwasser war vorhanden und nicht zu heiß. Etwa Ölmangel ? Auch das Motoröl war ausreichend. Hydrauliköl und Temperatur: Keine Beanstandung. Rudi Ratlos hätte nicht dummer dreinschauen können. Wir entschlossen uns, den Motor wieder zu starten. Willig sprang er an und lief "wie's Lottchen von Bauer Pipenbrink." Etliche Zeit später wiederum ein "Aufschrei" der Anlage. Ausschalten. Fehlersuche. Alles im grünen Bereich. Was ist das fülr ein eigenartiger Streifen am Ruderblatt ? Ein böser Verdacht kam auf. Fragend schaute ich den Wolfgang an, der jedoch gleich "Lunte roch". "Ich kann nicht ins Wasser, ich trage Kontaktlinsen !" Ist schon in Ordnung. Ohne Kontaktlinsen oder Brille findet der Wolfgang ja nicht einmal seinen Schlafsack in der Koje. Wer weiß, wo er wieder auftauchen würde, ginge er ins Wasser.

Bei Wolfgangs letzten Törn über die Biskaya mußte der damalige Skipper auch baden. Reusen- oder Netzleine im Ruder. Wolfgang konnte wegen besagter Kontaktlinsen nicht, der nächste nicht, weil er ein Holzbein hatte und der übernächste wurde verschont, da er nur noch eine halbe Lunge sein Eigen nannte. Wer blieb übrig ? Der Skipper mit dem Bauchweh. Der Skipper nannte sein Boot bis auf Weiteres : "Das Lazarettschiff". Na klar sind alle später wohlbehalten in der Heimat angekommen, wochenlang stets hartnäckig verfolgt von den besten Winden, von halb bis achterlich, von Griechenland bis Norddeutschland. Selbst der Portugisische Norder kam aus Süd, nicht zu fassen Saukalt ist das Biskayawasser im Juni, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Ein dicker Tampen hatte sich um einen der Faltpropeller gedreht und die Welle brutal gewürgt. Deshalb hatte die Hydraulik, genauer das Druckbegrenzungsventil, so gequält aufgejault. Der Motor wurde fast zu Stillstand gebracht, so daß der sich geschüttelt hat wie mein Mädel, wenn sie mal an einem Schnäppschen nippt.

Das dunkelblaue Wasser der Biskaya wechselte seine Farbe in ein phantastisches, leuchtendes Türkis, bis es bei der Ile de Ushant in ein sattes, tiefes Grün überging. Von den vielen, vielen Dephinen die uns bisher begleiteten und fröhlich unterhielten, war keiner mehr zu sehen. Vorbei an Brest, hinein in den Kanal, die Biskaya war überquert.

Außer den Seekarten hatten wir noch einige Bücher wie den Atlantikführer und das Nordseehafenhandbuch vom Deutschen Jegelschulen - Verband" an Bord. Wirklich dürftig diese Bücher gegen den englischen Mac, den wir fast ausschließlich benutzten. Dieser Almanach beinhaltet alles, was an Bord gebraucht wird. Gezeitentafeln, Stromtafeln, Leuchtfeuerverzeichnisse, gute Hafenbeschreibungen und..und..und. Über den englischen Mittelmeeralmanach kann ich mich gleichfalls nur lobenswert äußern. Sogar die Hafenpläne sind in beiden englischen Büchern mit Koordinaten und Feuern versehen. Na ja, angeblich nicht zu Navigationszwecken.

Roscoff in Frankreich hatten wir uns nun ausgeguckt. Gut 4 Stunden vor Hochwasser liefen wir mit gerade mal 0.3 bis 0,5m Wasser unter den Kielen schöön vorsichtig ein. Diesel war nicht mehr zu bekommen und der nächste Supermarkt sowie eine Tankstelle einige Kilometer entfernt. Mit der Dämmerung verließen wir den Hafen wieder, um nach den 17 sm entfernten Trebeurden zu motoren. Eine etwas haarige Sache, nachts dieses Trebeurden anzulaufen. An kleinen Inseln vorbei, Leitfeuer gesucht, Leitfeuer in Peilung, bloß nicht den weißen Sektor verlassen. Backbord und Steuerbord warten Granitreißzähne.

Vorsichtig steuerten wir auf die querende Fahrrinne zu. Stangen mit Toppzeichen weisen danach den Weg zur Hafeneinfahrt. Nur noch über die künstliche Barre, das Wasser reichte und wir waren im Hafen. -Einen süßen Gruß aus der Bretagne für mein Mädel, Mineralwasser, natürlich ohne Pfandflaschen, (soweit reicht Trittins neuester deutscher Exortschlager noch nicht) Lebensmittel für Wolfgang und mich und wieder einmal reichlich Diesel für den Motor wurde gekauft. Wenige Stunden später ging es wieder hinaus. Schöner Wind, erst einmal wieder von vom, gab den Auftakt für die letzten rund 600 Seemeilen. Ein kleiner Strandkatamaran kreuzte achtern, flink wie "Schmidts Katze", unseren Kurs. Er flog scheinbar über das Wasser. Das ein schwerer Kreuzerkatamaran das auch kann, sollten auch wir bald gewahr werden.

Das Funkelfeuer an Backbord voraus war in der Seekarte nicht zu finden. Nördlich also freies Fahrwasser. Wir befanden uns aber südlich davon. Sehr eigenartig. Schnell kam die nördliche Kardinaltonne auf uns zu und entpuppte sich als ein Monster von einem Trimaran, der mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an uns vorbei fegte. Dieses Riesenteil schien im "Einsatz" zu sein. Demnächst segeln die wohl noch mit Blaulicht und Martinshom. Allerdings muß ich gestehen, daß das Funkelfeuer im Top schon sehr wirkungsvoll war. Vielleicht sollte der mal nachts so die Elbe besegeln, schätze, die UKW - Funkgeräte würden heißlaufen. Unsere blauen Jungs von der Wasch-po (wasserschutzpoiizei) könnten mal einen tollen Einsatz fahren, immer Vollgas mit Tatütata und stets den Tampen gezeigt bekommen. Mal etwas anderes, als immer nur harmlose Segler jagen, die den Ankerball vergessen haben oder beim Motoren unter Segel ohne Kegel fahren. Wir passierten die Kanalinseln, vorbei an Guemsey, Aldenay und Cie. Der Wind legte zu. Die Boen wurden giftig. Das Vorschiff tauchte ein und die Seen wuschen die Kajüte und die Plicht. Heftig und schnell klopfte es ungeduldig am Niedergang. Der Klabautermann? Mit der Taschenlampe leuchtete ich den Boden ab. Ein Fisch hatte sich verirrt. War wohl über das Trampolin und die Kajüte in die Plicht gespült worden. Da er allenfalls als Vorspeise hätte gereicht, warf ich ihn mit der Bitte wieder über Bord, doch einen größeren Kollegen herauf zu schicken.

Trübes Morgengrauen. Wasser von unten, Wasser von oben. Und alles mit Beleuchtung. Es blitzte und donnerte. Einreffen, wieder ausschütten, Normalfock, Sturmfock. Allmählich echte Arbeit. Nachdem im letzten Jahr sich das Vorstag nebst Rollreffanlage verabschiedet hatte, hieß es auf dem Trampolin die Vorsegel wechseln und nix mehr schön bequem von achtem den Plünnen einrollen. Eine verdammt nasse Angelegenheit, Stagreiter für Stagreiter anzufummeln wenn die Seen von unten heraufwaschen. Für solche Arbeiten ist ein festes Deck doch angenehmer. Im Radar sahen wir die Regenschauer auf uns zukommen. Mit einer Windselbststeueranlage sollen Fahrtenseglerprofis auf See beim Durchzug der Boen dichtgerefft jeweils einen Vollkreis segeln und sich wenig um die Windrichtung kümmern; bei uns leider nicht möglich. Hätte manches Vollbad erspart.

Aus einer Regenwand tauchte nahebei ein dicker Pott auf und zeigte quer laufend rot. Wir fuhren hurtig ein Ausweichmanöver und hielten auf sein Heck zu. Nicht ganz korrekt, aber bei dem Wetter besser keine Experimente. Der Wind legte zu, die Sturmfock war gesetzt und das dritte Reff eingebunden. Das Boot flitzte dahin. Innerhalb weniger Sekunden stand das Anemometer bei 45 kn. Ich sprintete zum Mast und versuchte das Großsegel zu bergen. Kaum einen Meter konnte ich das Groß noch hinunter ziehen, das war's. Um wieviel der Wind zulegte weiß ich nicht, es war enorm. Das Groß hing wie ein faltiger Lappen am Mast, das Tuch prall gefüllt, die fingerdicken, runden GfK - Segellatten legten sich um die Wanten und zeigten um fast 180' gebogen in Fahrtrichtung. Die Büge hoben sich aus dem Wasser. Das Boot schoß nur so dahin, ging ab wie'n Zäpfchen. Die Wellen waren nicht mehr zu spüren, die Selbststeueranlage stand völlig still und wir warfen eine beachtliche Hecksee. Wie angewurzelt stand ich am Mast. Jetzt mußte doch etwas brechen oder reißen. Noch etwas traumatisiert vom Stagbruch bei Sizilien, der uns im letzten Jahr beinahe das Rigg gekostet hätte, beobachtete ich das Schauspiel. Alles, außer zwei oberen Segellatten, hielt dem Winddruck stand. Einige Minuten dauerte die wilde Jagd, dann wurde es wieder "ruhiger". Das Groß wurde geborgen, wir segelten nur unter Sturmfock gemütlich weiter. Etliche Regenschauer mit heftigen Boen folgten, doch alle waren weitaus "zahmer". Beängstigend waren die Blitze. In der Kajüte sitzend zählte ich in einer Minute über 70 Blitze. Einschläge ringsherum wie in einem Kriegsszenario, als wären wir unter Beschuß. Am nächsten Morgen gab es für die Deutsche Bucht und später für die Ostsee Sturmwarnung mit "gepfefferten" Boen.

Dem Tief folgend bekamen wir nun die Belohnung. Raumschots bis halben Wind, stets um 46 Bft. Bei Position 50'57,8'N und 01'41,8'E fuhren wir über den Kanaltunnel. Der Schiffsverkehr bei Calais, Dünkirchen und Rotterdam ist beachtlich. Und dann erst der Bohrturmslalom. Wie machen das bloß die non-stop Einhandsegler ? Vermutlich ernähren die sich 3 - 4 Tage nur von Captagon, Tchibo Gold und Hallo Wach. Am Abend vergaß ich doch glatt den Kühlschrank auf "normal" zu stellen. Mit unseren letzten, nun steinhart gefrorenen Tomaten hätten wir Billard spielen können. Futter für die Fische. An Ameland vorbei, dann Borkum, Juist und den anderen ostfriesischen Piratennestem. Ansteuerung Alte Weser voraus. Traumhaftes Segeln über hunderte von Meilen, 8,9, manchmal 10 Knoten Speed.

Die Elbe hatte uns wieder. Scharhörn achteraus, Cuxhavens Lichtenneer in Sicht. Der Wind schlief bei Otterndorf ein, Wolfgang schon lange und auch ich war kurz davor. Über 30 Stunden hatte ich nicht mehr geschlafen. Zum Tonnen- und Prickensuchen beim Einfahren in die kurvenreiche Ostemündung kam Wolfgang wieder an Deck. Durchs Ostesperrwerk, nun noch wenige Minuten. Boot fest, Motor aus, ab in die Koje. Das war's. Von Almerimar bis zur Oste legten wir 1838 Seemeilen in 16 Tagen und insgesamt von Griechenland in 31 Tagen 3791 Seemeilen mit rund 5,1 kn pro Stunde zurück. Sehr viel Gegenwind und noch mehr Flaute hieß viel motoren. Ohne die gute Maschinenanlage wären wir wohl noch einiges länger unterwegs gewesen. Die Zeit saß uns leider im Nacken, gerne hätten wir uns manchmal ausgiebiger umgeschaut. Beim nächsten Mal. E.Fritz

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