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Kvarner solo im April

Es war eigentlich nur kleiner Überführungstörn von den Kornaten nach Lignano für den sich die Osterfeiertage anboten. Für mich allerdings mit der Besonderheit, alleine an Bord zu sein. Einhandsegeln verbindet man ja meistens mit Weltumsegelungen oder Atlantiküberquerungen, aber zur 'Selbsterfahrung' reicht auch eine kleinere Strecke, wie ich gemerkt habe.
Was man zuerst ablegt, falls vorhanden, ist die Manöver-Hektik. Es ist ja auch kein anderer da, der etwas falsch macht und den man anschreien kann. Also wird alles vorher dreimal überlegt und in Gedanken durchgespielt, Ausweichvarianten eingeplant, etc.. Noch nie waren meine Festmacher vor dem Anlegen so fein säuberlich aufgeschossen. Ist ja klar, man steuert z.B. an die Tankstelle, der Wind bläst ablandig. Also muß alles passen, sonst steht man mit der Wuhling an Land und das Boot treibt ab. Hilfsbereite Weggenossen, die einem den Festmacher entgegennehmen, sind im April selten.

karte kvarner

Auf See war es dann erstmal einfacher. Ein steifer Yugo von hinten, die Genua quer und den ersten Schlag nach Norden so richtig alleine in Ruhe geniessen. Das Anlegemanöver am Abend auf der Insel Ilovic im gleichnamigen Ort ging problemlos vonstatten, ein freundlicher Fischer war zur Stelle. Nach einem Slibowitz, einem Bierchen und der Vorstellung seines Bootes nebst Fang, ging ich in den Ort auf der Suche nach dem Abendessen. Als einziger verfrühter Tourist muß man Glück haben, ein offenes Lokal zu finden (oder man hat wie ich einen Tip vom Fischer bekommen).
In der Nacht hat der Wind dann noch zugelegt, so daß mich am Morgen hinter der Abdeckung der Insel eine beachtliche Dünung erwartete. Also die Genua wie zuvor quer, rauf auf die Wellen und im Surf bergab. So locker wie gerade geschrieben war es allerdings nicht. Mein Kat wurde schnell wie nie und ich mußte mit aller Kraft gegensteuern, damit er beim Surfen nicht querschlug. Manchmal fuhr er die nächste Welle halb hinauf und blieb dann fast stehen, bis die nächste Wand von hinten ankam. Aus dieser Perspektive schauen auch 3 Meter hohe Wellen recht bedrohlich aus. Wenn dann noch der Wind kurz aussetzt, geht die Welle unter dem Schiff durch - zuerst die Bugspitzen eintauchen und die Hecks in der Luft, dann umgekehrt. Nachdem der Wind noch stärker wurde (über 35 Knoten), bin ich doch trotz gesetzter Sturmfock lieber nach Male Losijn reingefahren. Man soll ja nix herausfordern.
Dort bekam ich die zweite Lektion des Einhandsegelns. Was macht man im April um 11.00 Uhr morgens bei Wind und Regen allein im Hafen. Nach 2 Stunden im Cafe bin ich spazieren gegangen. Um 3.00 Uhr nachmittag war ich müde und habe mich in die Koje gelegt. Um 5.00 Uhr wieder ins Cafe bis zum Abendessen. Alleine schmeckt's einfach nicht so gut. Kurz gesagt alleine ist es stinklangweilig.

Der nächste Morgen. Da im ganzen Hafen kein Wetterbericht aufzutreiben war, habe ich mir vorgenommen bis zum Buchtausgang zu fahren und mal einen Blick aufs Meer zu werfen - der Kvarner hat ja seinen Ruf nicht umsonst. Aber es sah ganz passabel aus. Die Dünung war flacher (der Regen hatte geholfen) und auch der Wind hatte nachgelassen. Also raus aufs Meer Richtung Veruda. Für alle Fälle gab es ja unterwegs auch noch Unije als Schutzhafen. Es war ein brauchbares Segeln, nach bewährtem Muster, Wind von hinten - Genua quer. Irgendwann lag Unije hinter und der Kvarner vor mir. Ein Zurück gegen Wind und Welle gab es nun nicht mehr.
Der Bericht wäre es nicht wert geschrieben worden zu sein, wenn nicht das passiert wäre, was alle erwarten - Wetterumbruch. Der Leuchtturm Galijola war querab, als aus Nordwesten eine schwarze Front rasend schnell näher kam (und das bei kräftigem Yugo!). Das Erste war die Genua runterzuzerren und die darunter bereits angeschlagene Sturmfock zu setzen. Der Südwind hatte inzwischen schon wieder auf gute 35 Knoten zugelegt! Als mich die Sturmfront aus Nord erreichte, brach für meinen 30 Fuß Kat und mich Hölle aus. Die hohe Süd-Dünung wurde in Kürze von einer starken Windsee aus NW überlagert und uns beutelten die Kreuzseen erbärmlich. Der Wind-Mix war jenseits 40-45 Knoten angelangt, durchmischt mit starken Regenschauern.
Nass von überall, von oben, von vorn, von der Seite. Zum erstenmal hatte ich mit meinem Boot so richtig Wasser an Deck. Das meiste kam seitlich über, wenn mich eine Kreuzsee auf der Talfahrt quer erwischte, die großen Ablauföffnungen im Cockpit konnten sich bewähren. Kurs halten war illusorisch - einen gangbaren Weg zwischen den Wellen zu finden lebensnotwendig.
Ob ich Angst hatte? Aber ja - doch wurde diese nach einiger Zeit durch einen gewissen Fatalismus abgelöst. Das Boot schwamm nach wie vor und auch das Chaos im Meer hatte irgendwie Methode. Mit Sturmfock und Außenborder (er war ab und zu mit der Schraube im Wasser) versuchte ich mehr weggeblasen als segelnd noch halbwegs Nord zu machen und Pomer zu erreichen. Irgendwann war auch der Inselobelisk im Buchteingang zu sehen und ich hoffte hier endlich ruhigeres Wasser zu finden. Doch weit gefehlt, der Sturm blies auch in der Bucht noch gnadenlos nach Osten und drückte mich in Richtung des Ostufers - Legerwall-Situation! Also Ruder rum und so schnell wie möglich raus aus der Mausefalle. Die Klippen des Ostufers waren schon bedrohlich nahe, aber ich kriegte die Kurve und schoß um das Kap herum. Und hier fand ich dann endlich die erhoffte Landabdeckung. Die Wellen waren flacher und vor dem Wind das Ganze erheblich angenehmer. Nach einer halben Stunde Motorsegeln lief ich in die Bucht von Kuje ein, wo ich an einem Fischerboot festmachen konnte. Die Fischer, die sinnvollerweise zuhause gebleiben waren, reagierten mit Respekt - und mit Kopfschütteln.
Jetzt tief durchschnaufen und raus aus dem tropfnassen Ölzeug. Und - kaum fassbar - der Wind hörte auf und die Sonne kam heraus wie im Urlaubsprospekt. Das einzige was noch zitterte war mein Innenleben.

Auch der nächste Tag ein Bild des Friedens. Blauer Himmel und windstill - aber trotzdem kühl. Mit Motorkraft ging es nun bis zu den Brioni-Inseln, bei denen der Yugo wieder leicht einsetzte. Also Genua quer und als Motorsegler schnell Nord gewinnen. Das gelang auch, bis am Abend Umag erreicht war. Dort, an der Aussenmole der Marina, wurde ich in der Nacht vom nächsten Sturmtief aus der Koje geworfen. Bis 3.00 Uhr früh lauschte ich den knarrenden ruckenden Festmachern, ob es nicht irgendwann kracht und eine Klampe ausreisst. Am nächsten Tag wieder kaum Wind, dafür im Dunst und Nebel eine langweilige Fahrt quer über die Triester Bucht nach Lignano. Immerhin habe ich dafür das erste mal das Groß setzen können.

Nach diesem Törn kann ich jetzt auch mitreden, wenn über den schlimmen Kvarner palavert wird - eine Erfahrung, auf die ich aber lieber verzichtet hätte.

Othmar Karschulin


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