Katamaranbau in Australien

Dr. Ruthard Schmidt

Freemantle, West Australien, im Oktober. Herrliches Frühlingswetter, freundliche Menschen und kompetente Bootbauer. In der Halle von Tabuteau Marine steht ein fast fertiges 14,80m  Katamaran-Kasko. Typ Wilderness, Design Jeff Schionning. Es ist mein Schiff. Als Umsteiger von über 30000 sm Hochseeerfahrung auf Monos, erschlägt mich die Dimension des Schiffes förmlich. Da wird eine Lehrzeit auf mich zukommen.

Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis die Entscheidung auf einen Katamaran fiel. Alle mir verfügbaren Informationen wurden bemüht, Messen in Frankreich , Bücher, Internet, Werftbesuche und Telefonate. Ich lebe auf Lanzarote und habe die Möglichkeit, im Sommer durchziehende Katamarane zu besichtigen und mit den Eignern zu sprechen. Die Auswahl scheint in Europa gross zu sein, entpuppt sich aber, wie bei den Monohulls, sehr schnell als überwiegend Serienbauten. Für Seereisen werden heute kaum noch Yachten hergestellt. Ausserdem konnten und können meine aesthetischen Wünsche nicht befriedigt werden. Kats sehen so aus, wie sie sind. Hoch. Der Kompromiss mit dem ich leben konnte erschien in Form der Schionningdesigns. Also auf nach Australien. Ich hatte Termine mit Grainger, Crowther und Schionning. Die Entscheidung fiel rein persönlich nach der Form. Die anderen Boote, die ich im Wasser sah ,gefielen mir nicht. Das ist keine qualitative Aussage.

Typ- und Materialauswahl entstanden in einem dreitägigen Besuch in Schionnings Büro. Nebenbei, es ist eine ausgesprochen sympathische und, den Yachtbau betreffend, kompetente Familie. Das Material, Balsasandwich mit West-Epoxy, kannte ich von meinem jetzigen Schiff, einem Werft-Einzelbau, von Judel/Vrolijk. Das Material ist hochfest, mein jetziges Schiff hat weder Spanten noch Stringer, und ist dabei sehr leicht. Durch das von Schionning entwickelte Bausatz Verfahren ausserdem sehr preiswert. Beim Bootstyp dauerte es ein wenig. Ich hatte zu lernen, dass Gewicht ein hoch sensibles Thema ist. Damit fielen die von mir favorisierten "Waterlines" und "Line Honors" (siehe www.Schionningdesigns.com.au) aus. Ich plane, auf dem Schiff zu leben und grosse Reisen zu unternehmen. Da braucht es schon den ein oder anderen Topf. Nicht unbedingt ganz so viele wie sie Bobby Schenk hat.

Wenn ich das richtig gelesen habe, drückt sein knapp über 14 Meter langer Kat neunzehn Tonnen ins Wasser. Kurz, Ladekapazität, Preis-Leistungsverhältnis und Vernunft für lange Reisen ergaben die Wahl für die "Wilderness". Trotz ebenfalls ästhetischer Vorbehalte wegen des Knickspantes, fasziniert mich das Baukit. Zusammen mit ATL, einer Firma, die alle Baumaterialien für Compositebauten liefert und vorfertigt, hat Schionning eine Bausatzmethode entwicket, die verschiedene Vorteile beinhaltet. ATL fertigt aus unterschiedlichen Materialien Sandwichplatten, die den Vorteil der kontrollierten fabrikmässigen Herstellung unter Vakuum haben. Glas- und Harzanteile sind definiert und damit auch die vorgerechnete Festigkeit  und das Gewicht garantiert. Diese Paneele können Balsa-, Schaum- oder Honicombsandwichs sein. Die Wahl trifft der Eigner mit dem Konstrukteur.

Nach der cad-cam Methode fräst die Firma alle benötigten Teile nach einem berechneten Schnittmuster aus diese Platten aus, die die Werft nur noch an Kleinstegen abtrennen muss. Qualitäts- und Preisvorteil für den Bauherrn sind gewaltig. Schionning gibt eine Bauzeitersparnis von 1000 Stunden an - die Werft ist sicher, mehr zu sparen. Multiplizieren Sie diese tausend Stunden, in Europa, mit mindestens 40 Euro Stundenlohn und sie haben den Primärgewinn. Durch die durchdachte Konstruktion ergeben sich darüberhinaus noch Materialersparnisse. Hilfsspanten werden nicht benötigt. Die Rümpfe werden nur über die bleibenden Schotten beplankt.

Mit Schionning besuchte ich zwei Werften, in denen drei seiner Katamarane im Bau waren. Dabei erhielt ich einen hervorragenden Überblick über den Werfteinzelbau in Australien. Hohe Kompetenz bei niedrigen Preisen. Dies wird mein drittes Schiff, das ich bauen lasse, ich habe bereits einiges an Erfahrung gesammelt.

Die Werftwahl traf ich nach den Empfehlungen des Konstrukteurs und der eingeholten Kostenvoranschläge. Dabei habe  ich mit Tabuteau in Freemantle, West Australien, ein As gezogen. Die Werft baut grundsolide, ist gut organisiert und auf Katamarane spezialisiert. Ausserdem spart man zwischen West- und Ostaustralien von Europa vier Stunden Flugzeit. Der Langstreckenflieger weiss das zu schätzen.

Was ist mit einem ausländischen Bauvertrag? Da halfen mir weniger meine Englischkenntnisse, denn die Beurteilung traute ich mir nicht zu, als vielmehr mein Freund Steve Marten von Marten Marine in Neu Zeeland. Vertrag in Ordnung, inklusive Bauversicherung für wirklich jede Katastrophe, einschliesslich aller nötigen "seatrials". Und die CE-Norm? Kein Problem. In Freemantle gibt es genügend Grossschiffwerften mit Ingenieuren, die die CE-Norm kennen, den Bau überwachen und abnehmen können.

Der Preis. Er ist der eigentliche Vorteil beim Bau eines Schiffes in Australien. Die Werften haben keine Wasserköpfe, Lohnnebenkosten sind mit den uns bekannten nicht vergleichbar und die Stundenlöhne gering. Man kann zwischen 35,- DM und 40,- DM (bewusst in DM) bauen lassen. Wenn wir von 8000 Stunden Bauzeit ausgehen, errechnet sich eine erhebliche Peisdifferenz zu den  in Deutschland üblichen 80-100,- DM. Zum Vergleich habe ich die französische Catana 47 herangezogen. Mein individuelles, mit Epoxy und nicht Polyester gebautes, wirklich komplettes und qualitativ besseres Schiff, bekomme ich für ein Drittel des Catanapreises. Natürlich auch mit Carbonrigg.  Für die Preisdifferenz kann ich hin und wieder nach Australien fliegen.

Ein sehr interessanter Nebeneffekt ergab sich bei der Wahl des Segelmachers. Da Australien ein Katamaranland ist - im Moment sind in unterschiedlichen Werften in Freemantle neun individuelle, grosse Katamarane im Bau - sucht man sich den spezialisiertesten Segelmacher aus. Es ist Halsey/Lidgard, bei dem als freier Mitarbeiter Pilippe Peche arbeitet, der auf "Team Adventure" und auf "Orange" für Segel und Mast zuständig war. Er wird meine Segel herstellen und den Bau des Kohlefasermastes überwachen.

Freemantle, die ehemalige Americas-Cup Stadt, ist ausserdem ein El Dorado für Yachtzubehör. Man sucht Nichts vergeblich. Die Preise der grossen internationalen Zulieferer wie Lewmar oder Harken, entsprechen den Preisen in Deutschland oder sind geringfügig geringer.

Der Zoll schützt die einheimische Industrie und ist ausgesprochen zuvorkommend. Das Schiff kann nach offizieller Übergabe von der Werft 60 Tage in Australien bleiben, ohne mehrwersteuerpflichtig zu werden. Man wird darauf aufmerksam gemacht, dass die "seatrails" bis zur Auslieferung einige Monate dauern können. Teile, die vom Ausland für den Bau importiert werden, gehen auf eine Zollnummer der Werft. Sie sind bis zu drei Jahren zollfrei. Alle Auskünfte bei der Zollstelle bekam ich sofort, freundlich und kompetent. Ich war Kunde! Ich fühlte mich wie in Deutschland, oder? Zwei Stunden nach dem Gespräch brachte eine Zöllnerin der Werft die Zollnummer und füllte die Formulare aus. Ich werde Teile nach Australien senden und hatte bereits in Telefonaten mit dem deutschen Zoll inkompetente und lückenhafte Auskünfte für den Export. Das dazu.

Der mit der Werft besprochene Zeitplan wird bisher exakt eingehalten, die Organisation stimmt. Auch da habe ich in Holland und Deutschland andere Erfahrungen gemacht. Nach der Fertigstellung sind mindestens zwei Monate des Testens und Lernens in Freemantle eingeplant. Dann gibt es Pläne, deren Verwirklichung die Zukunft zeigen wird. Zu gegebener Zeit werde ich darüber berichten, über den Weiterbau ebenfalls.

Die beigefügten Fotos geben einen Überblick über die Baumethode, ich werde später weitere ins  Internet stellen. Gerne bin ich dazu bereit über meine Erfahrungen in Australien Auskunft zu geben, und, wenn gewünscht, den Kontakt zur Werft herzustellen. Ausserdem werde ich, voraussichtlich mit dem Werftbesitzer Tabuteau, auf dem Katamaransymposium anlässlich der "boot" in Düsseldorf sein.

Dr. Ruthard Schmidt
Tel. 0034 928 596098
E-Mail

Weitere Infos zur "Wilderness" direkt bei Schionning Design


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