Segeln heute ...

... und wie ich es mir wieder wünschen würde

Die Analogie zum Straßenverkehr drängt sich auf. Volle Straßen - volle Meere! Kein Parkplatz - kein Liegeplatz! Ankerbuchten verkommen zu Rastplätzen! Daß Segeln kein preiswertes Unterfangen ist, weiß jeder der ein Boot sein eigen nennt. Was sich aber zur Zeit in den Marinas abspielt, ist schlichtweg unverschämt. Gleich den steigenden Gebühren in Parkhäusern schießen die Liegeplatzkosten in ungeahnte Höhen.

Mitverschuldet von sogenannten Seglern, die es ohne Strom- und Wasseranschluß, Telefon- und TV-Leitung auf dem Boot nicht aushalten können. Die am besten mit dem Auto bis vors Boot fahren wollen. Wo einst das Naturerlebnis im Vordergrund stand, wird heute betoniertes Stegsegeln mit allem Komfort praktiziert. Keine Spaghetti aus der Pantry, sondern ein elegantes Abendessen im Marinarestaurant steht auf dem Programm. Am besten in einer Gesellschaft, in der über das neu angeschaffte Radarsystem oder die Wichtigkeit des Bugstrahlruders diskutiert werden kann. Ist dieser Typus des Seglers symptomatisch für die gesamte Entwicklung des "Segelsports"?

Wer die Hochglanz-Prospekte der Yacht-Industrie in Händen hält, fühlt sich bestätigt. Und spätestens nach dem Genuß "der" deutsche Yachtzeitschrift weiß man, daß ohne Moos nix los ist. Der Rubel muß rollen. Der "Markt" fordert sein Recht - und das Marketing sorgt dafür. Also zurück zum Kaiser-Wilhelm-Segeln mit Messingknopf, Kapitänsmütze und dickem Bankkonto? Oder bleibt nur die Chartersegelei für die verarmten Massen. Für schlappe 500 Euro pro Woche darf man sich die Koje mit einem Dutzend Betroffener auf einem 10 m Boot teilen. Segeln macht Spass zwischen den Kneipenbesuchen.

Wer kennt noch die Liegeplätze zwischen alten Holzpfosten im Schilf, wo sich Vögel und Fische tummeln? Oder die einsame Ankerbucht, in der man einige Tage in Ruhe liegen kann, weil man nirgendwo hin muß. Wo man sich freute, wenn ein anderes Boot einlief, weil man dann eine Flasche aufmachen konnte. Wer hat noch Zeit und Muse, mit dem einheimischen Fischer ein paar Worte zu wechseln und Fisch gegen Zigaretten zu tauschen? Ich weiß, daß war vor 50 Jahren, aber es hat sicher Spaß gemacht. Es wäre an der Zeit "Reservate" für diese Art des Segelns / Lebens zu schaffen.

Aber die Entwicklung ist leider nicht aufzuhalten, geschweige denn rückgängig zu machen. Der industrielle Ausstoß an Booten muß ja irgendwo hin. Jeden Tag müssen ein paar hundert neue Plastikschüsseln auf's Meer. Und wenn dazu wieder ein paar Buchten mit Marinas zubetoniert werden müssen, was soll's. Die Natur ist ja bekanntlich unerschöpflich. Wer macht sich schon Gedanken um die Belastung des Meeres oder die Entsorgung der Altlasten. In den Ecken aller Werften wachsen schon die "Schrottplätze" aus vergammelnden Plastikträumen.

Gibt es einen Ausweg? Wer solche Gedanken niederschreibt steht ja nicht im "Stau", sondern er ist ja bekanntlich selber ein Teil davon! Was ist also zu tun? Hilflos kann ich mir eine Lösung nur erträumen:

Ich wünsche mir eine individuelle Spar-Marina, in der sich mein Boot wohlfühlt und die meinem Geldbeutel gut tut. Einfach eine Boje in einer geschützten Bucht, ohne Duschautomat und ohne Shops für Yachtelektronik und Designer-Klamotten. Ich entschlacke mein Boot von allem unnützen Zubehörkram, der nur teuer ist und meistens nichts taugt. Ich kaufe das Notwendige dort ein, wo der einheimische Fischer einkauft. Kein Chrom und Glitzer, aber massiv und haltbar. Ich wünsche mir eine Kneipe im nahen Fischerdorf (ja, frisch gefangene Fische gibt's im Wunschtraum wieder), in der der man noch gut und preiswert essen kann. Ohne "Bratwürstel mit Kraut" oder eingeflogenen Langusten auf der 8-sprachigen Speisekarte.

Ich wünsche mir eine Begrenzung der Privatyachten auf vielleicht 12 m Länge. Wer es luxuriöser braucht oder nur in der Herde glücklich ist, soll eine Kreuzfahrt machen. Ich würde alle die nichtsnutzigen Motor-Stinker verbieten, die man noch riecht und hört, wenn sie schon an der Kimm verschwunden sind. Die rücksichtslos so nahe an mir vorbeibrettern, daß mir der Kaffee aus der Tasse schwappt. Aber wahrscheinlich können die sich gar nicht vorstellen, daß man auch auf dem Meer Kaffee trinken kann. Sie sind ja immer spätestens nach 30 Minuten in der nächsten Marina (oder Tankstelle).

Doch Träume können nicht helfen. Wie gut hat es da der Regenwald. Sogar der "Palstek" kauft Hektar um Hektar als Refugium für Mensch und Tier. Ich hätte mir auch gern ein paar "geschützte" Quadrat-Seemeilen zugelegt, aber wie? Die Küsten verbaut, die 30 Meilenzone voller Bohrtürme und Fischfarmen und auf hoher See? Da kommt mir wahrscheinlich ein hübscher Ölteppich mit verklebten Seevögeln entgegen. Naja, nach der Durchfahrt brauche ich wenigstens kein neues Antifouling hinpinseln. Nur nicht den Humor verlieren.

Zu guter Letzt kommt mir noch, daß ich dieses alternative Gedankengut ausgerechnet im Hightech-Medium Internet produziere. Aber das gehört wahrscheinlich auch zu den Verrücktheiten des Lebens.

Othmar Karschulin