2 Rümpfe = Doppelte Probleme?

Zugegeben der Titel ist etwas provokant. Ich segle, repariere und begutachte weit über 15 Jahre Multihulls und eine Tendenz zum Mehrrumpfboot ist nicht nur in der Karibik oder bei zukünftigen Weltumseglern zu verzeichnen. Mit einigen Vorurteilen möchte ich aber gern Schluss machen.

Multihulls sind deutlich schneller als Monos (selbe Länge) – was für einen Hobby-Cat bestimmt richtig ist, trifft für einen normal ausgerüsteten Cruiserkatamaran nicht mehr zu. Er ist nur unmerklich schneller und dieses Plus verliert er, da er nicht dieselbe Höhe zum Wind, wie ein Kielboot segeln kann. Multihulls fallen gerne um – korrekt, aber auch das trifft nur für Sportgeräte zu. Einen Cruiserkatamaran umzuwerfen ist mit Wind nicht möglich (vorher fliegt ihnen das Rigg einfach davon) und eine 12m hohe Einzelwelle so dämlich (nämlich parallel) anzufahren schaffen wenige.

Da dieses „Mehr“ (also 2 Rümpfe) auch mehr kostet fragt man sich – ist es dies auch wert? Um das Platzangebot eines 38 ft Kats zu erreichen muss ein Mono zwischen 45 und 50 ft lang sein. Der Eigner eines Multihulls sollte rechtzeitig bedenken dass er ja fast 2 Schiffe hat – mit all den finanziellen und techn. Vor und Nachteilen. Neben erhöhten Liegeplatzkosten, doppelte Wartung der Motoren ect. ist hier viel mehr Raum und Licht.

Nehmen sie einem normalen Mono: Sie stehen am Ruder und bekommen Durst. Nun ziehen sie den Bauch ein und klettern mit einem entschuldigenden Lächeln über ihren Nebenmann (-frau), um nach Verscheuchen des ständig besetzten Niederganges in die Höhle des Monos zu klettern. Der Kühlschrank des Monos ist genauso groß wie der auf einem Kat, aber kaum ist das geliebte goldige Getränk geöffnet, spitzt der Mono-Trinker die Ohren. Hört man da einen Italienischen Motorbootrowdy? Sofort das Glas sichern – die kommende Welle wirft sogar Bücher aus dem Regal. Für Multis stellt sich die Frage bestimmt nicht – aber fragen sie sich selbst einmal – wie oft segeln Sie? Wie lange liegen Sie und das Schiff in Buchten, Häfen und Marinas. Selbst wer in 3 Jahren um die Erde „rasen“ will, segelt nicht 20% dieser Zeit. Aber selbst 20% können (da ja oft mit dem Wind = Downwind gesegelt wird) eine extreme physische und psychische Belastungen durch ständiges Rollen sein. Den Rest der Zeit wünsche ich ihm Licht, Luft und Raum. Für einen Bootsbauer ist jedes Schiff innen zu klein und außen zu lang – innen beim Umbau diverser Modifikationen, außen beim Abschleifen des Unterwasserschiffs – und nun das ganze auch noch mal 2.

Worauf also muss ich beim Ankauf eines Multis besonders achten? Die meisten künftigen Jachteigner kaufen mit dem Herz und träumen das Schiff schon vor dem Kauf in den 1a Zustand. Sie werden nur durch die astronomischen Preisvorstellungen der Verkäufer / Makler gebremst. Kommt das Schiff gerade aus der Werft sind bis auf Fertigungsmängel und kleine Korrekturen wenige Aufrüstungen zu unternehmen. Davon ausgehend, sie haben alles so bestellt – wie erträumt. Lassen sie (oft aus Kostengründen) jetzt bereits Fremdarbeiter an Bord um günstigere Lösungen einzubauen, brauchen sie keine 10 Jahre zu warten und kein Elektriker ist mehr in der Lage zu sagen wo welches Kabel Strom liefert, was sich der Monteur des Generators beim Einbau wohl gedacht haben mag und wie man an diese mickrige David ein 250kg Dinghi hängen möchte. Sind diese (ca.) 10 Jahre vorbei wird der Gutachter (sofern sie einen mitnehmen) Schäden in der Struktur, Schimmel im schlecht gelüfteten Kabinenraum, mangelnde Wartung der Maschinen und Anbauteile und einen katastrophalen Zustand der Elektrik und Elektronik bestätigen. Mit etwas Glück und Fachwissen/Erfahrung findet er die undichten Scheiben, misst über Deck überhöhte Feuchtigkeitswerte im Sandwichkern und erkennt eine leichte Verformung des Riggs über der Saling.

Jetzt wird schon wieder häufig daneben kalkuliert – 2x Plexiglas und etwas Sikka – fertig. (Auf den nötigen Primer z.B. verzichten wir in der Kalkulation; aber deeer kostet!). Sobald ein Bootsbauer (und wenn sie selbst Hand anlegen an ihrem Boot – sind sie Bootsbauer) eine Baustelle eröffnet, verstecken sich 2 dahinter – versprochen!

Bei einem gebrauchten Schiff das sie für Langfahrt ausrüsten wollen müssen sie 25% und mehr des Schiffspreises für Reparatur, Umbau und Sanierung / Wartung kalkulieren. Dieser Hinweis wird oft nicht berücksichtigt – sind die Eigner aber nach Ablauf einer Segelsaison ehrlich werden sie zugeben, das geht noch nicht, hier wurde unterdimensioniert gebastelt und die Wartung der Motoren hätte doch nicht der Traktorspezialist vor Ort durchführen sollen. Mühsam wird versucht das Schiff trocken zu bekommen, es wird gelüftet und entlüftet und langsam kommt man auf die Kniffe welche Sicherung was anschaltet, was extern gesichert ist und welche Sicherungen überhaupt nicht belegt sind. Sparen sie bei einem längerfristigen Segelunternehmen nicht beim Beginn an der falschen Stelle. Eine Elektrikerstunde in der Karibik ist nicht unter 90 US zu bekommen (und keine Garantie), lässt sich ihr Segelfahrzeug schon fast optimal segeln und ist die Hausfrau mit techn. Anlage zufrieden?

Die meisten Käufer lassen sich durch eine enorme Ausrüstungsliste blenden – übersehen dabei aber, dass eine komplette Navigationselektronik (Plotter, Radar, VHF und Wind, Lot) bereits für knapp 5000 Euro nagelneu zu kaufen ist und die Hälfte der anderen Sachen nicht funktionieren oder man sie gar nicht benötigt. Diese 5000 Euro handeln sie locker als Preisnachlass heraus. Wenn ihre Probefahrt nicht nur 2 Stunden dauert und sie nicht unter Zeitdruck nach Mängel suchen müssen werden sie genügend „Verhandlungskriterien“ finden.

Bevor sie aber nun ihren gesamten Hausstand und diverse Zukäufe, Männerspielsachen und Berge von Unterhaltungsliteratur, -elektronik an Bord bringen müssen sie sich leider erneut fragen – benötige ich das alles. Sie haben Licht und Raum gekauft – keinen „Bergepanzer“. Den Lebenskomfort können sie im luftigen, schattigen Cockpit genießen oder falls es kühler wird (ein Problem das sie in den Tropen nicht haben) schlüpfen sie durch die große Schiebetür in ihre Polster-Kissen-Wohnwelt. So wundervoll aber der Ausblick auch von dort sein mag – sie fürchten bereits den nächsten Regenguss. Es tropft da und da. Falls der Dichtungsabstand zwischen Deck und Scheibe geringer als 4mm ist und evtl. auch noch alle 15cm eine Schraube das Ganze hält kann ihnen nach 4-5 Jahren „Undichtigkeit“ garantiert werden. Sind die „Riesenscheiben“ auch noch geneigt kommen sie um eine Abdeckplane nicht herum. Sie werden sonst auf dem Sofa geröstet und der Salon bekommt saunaähnliche Temperaturen.

Sie sind immer noch nicht von einem Kat geheilt? Segeln sie mal eine Saison (nicht 2 Wochen Charter) – leben sie ein halbes Jahr auf dieser schwimmenden Insel – perfekt – bis auf die massenweise Besuche der anderen Segler zur Sundowner-Stund', die ihnen die mühsam gehamsterten Vorräte verputzen (von denen sie ja nicht so viel haben = Gewicht?).

Quergelesen und bestätigt / ergänzt – von Multihullseglern die wirklich ständig auf ihrer kleinen Insel sind – die www.Septermber.at . Ja – Platz hat seinen Preis – und viel Spaß noch beim Segeln (oder Anker-Liegen?)

Wyklicky Udo

email: wyky@gmx.net, homepage: www.skipper-udo.de


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