Projekt: Future

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Was passiert einem Designer der sein Traumschiff endlich im Wasser hat? Kaum schwimmt es, fängt er wieder an zu träumen. Es wäre ja auch zu schade, alle gerade gemachten Erfahrungen dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Und so entstand auf gut Neudeutsch das Projekt "Future". Diesmal ist die Latte natürlich höher gesteckt, als beim ersten Traumschiff. Es soll nichts weniger erreicht werden, als ein altes Dogma aus der Multihull-Konstruktion zu widerlegen, welches lautet: 'Ein Mehrrümpfer kann schnell, preiswert oder komfortabel sein man kann aber nur zwei Aspekte auf Kosten des Dritten haben'. Wie erreicht man nun diese Quadratur des Kreises? In dem man Hergebrachtes über Bord wirft, eigene überzeugungen in Frage stellt und offenen Auges nach bereits guten Ideen Ausschau hält.

Grundgedanken

Schnelligkeit erreicht man am einfachsten mit schlanken Rümpfen, die schon mangels Masse für ein geringes Gewicht sorgen. Sperrholzplanken halten die Kosten in Grenzen und die Festigkeit wird mit einer Prise Kohlefaser und Aramid erzeugt. Wo bleibt aber in zwei dünnen Kufen der komfortable Wohnraum? Jeder Zentimeter Stehhöhe oder Kojenbreite in Richtung Komfort schlägt zwangsläufig auf das Gewicht eines Rumpfes und mindert damit wieder die Schnelligkeit. Und wo bleiben dann die flotten 'schlanken' Rümpfe? Gut, bei 15 Meter Länge könnte die Relation wieder passen aber dann laufen natürlich die Kosten davon.

Modell

Wie sieht nun mein Konzept der 'Future' aus: Zwei schmale, leichte Rümpfe mit zwei Rohr-Beams verbunden, zwischen denen der Lebensraum in einer 'Gondel' untergebracht ist. Für meine Bedürfnisse genügen 2-3 Kojen und Schiffsdimensionen von 10 x 6 Meter sollten für ausreichende Geschwindigkeits- und Sicherheitsreserven sorgen. Eine grobe Überschlagsrechnung ergibt ein Kaskogewicht von unter 1 Tonne, was als Zugabe die Trailerbarkeit geradezu herausfordert.

Die Gondel

Also raus aus dem Keller und der Sonne entgegen, was ja nichts absolut Neues ist. Ein Blick ins Archiv zeigt einen Amerikaner der mit seinem "PodCat" ähnliches angestrebt hat (allerdings sicher ohne auf die Kosten zu achten), genauso wie Lock Crowther, der reine Rennsemmeln mit einer Notunterkunft versehen hat. Und auch ein Franzose hat das Prinzip aufgegriffen, sogar mit Klapprümpfen.

Gondel

Kosten

Und wie sieht es nun mit den Kosten aus? Große Sparmöglichkeiten bietet die Konzentration des Wohnbereichs in der Gondel, die ja weg von der Nässe über dem Wasser schwebt. Es entfallen somit schon mal alle Seeventile, Fittings, Lenzpumpen, seeschlagsichere Luken und sonstiges "Yachtzubehör". Vielmehr kann jetzt im erheblich preiswerteren Caravanbedarf eingekauft werden. Komplette Fenster (keine Luken) mit doppelten Scheiben, integriertem Rollo und Mückennetz und natürlich ausstellbar kosten dort 300. DM. Es muß auch kein Yachtherd für Tausend Mark mit Gaswarnanlage sein. In der Gondel tut es ein guter Campingkocher für 250. DM auch, denn das Gas kann ja im Ernstfall durch ein Loch im Boden rausfließen. Die gesamte Elektrik ist auf einer Fläche von 2 x 3,5 Metern, weit vom Wasser weg, zusammengefaßt. Das bedeutet kurze Leitungen und damit billigere Kabel. Eingekauft wird beim Autozubehör um die Ecke.

Und nun zu einer etwas konkreteren Betrachtung der einzelnen Bauteile. Fangen wir mit den Rümpfen an. Wie Anfangs erwähnt, hat der Leichtbau auch seinen Preis. Die angedachten Rümpfe fallen aber vom Konzept her sehr schmal und niedrig aus, benötigen also relativ wenig Baumaterial. Ich habe mir erlaubt, die Relationen zwischen Gewicht und Materialkosten einmal durchzukalkulieren.

Dazu nachfolgende Tabelle:

Rumpfbauweise Gewicht Kosten
Sperrholz mit GFKüberzug 236 kg 6.300
Schaumstoffsandwich 215 kg 8.700
Strongplank-Leisten 246 kg 8.800

Bei aller Großzügigkeit gegenüber meinen Berechnungen zeigt sich, das das gute alte Sperrholz durchaus konkurrenzfähig ist. Strongplank ist nur vergleichshalber aufgeführt, da dessen Festigkeit für die geplante Bauweise überzogen wäre. Der relativ hohe Preis der Holz-Epoxi-Bauweise beinhaltet dabei auch etwas HighTech in Form von Karbonverstärkungen und einem Aramidüberzug.

Bauweisen

Der Bau der Knickspant-Rümpfe würde bei Einzelanfertigung in traditioneller Weise überkopf erfolgen. Knickspant deswegen, weil auch für den Selbstbauer Zeit = Geld bedeutet. Das relativ scharfe V im Bugbereich läuft fast in eine Trapezform am Heck aus.

Riss

Das "Baugerüst" besteht aus beidseitig laminierten Spanten aus Hartschaum mit Stringern im 30 cm Abstand aus Strongplank. Die Lager der Beams werden in Form schräg gestellter Spanten in die Rumpfstruktur integriert. Eingedeckt wird das Ganze mit 3 mm Sperrholz um die Form zu erzeugen. Die Festigkeit wird durch Verglasen mit biaxialem Aramidgewebe und 4 längslaufenden Carbonbändern erreicht. Mit Geschick beim Materialeinkauf wären zwei lackierte Rumpfkaskos für etwa 15.000. DM zu haben.

(Nachtrag vom April '98: Nachdem ich mir endlich auch die Sperrholz-Bibel 'Moderner Holzbootbau' der Gougeon Brothers geleistet habe, käme für die Rümpfe eigentlich nur noch das doppelt verformte Sperrholz (STRESFORM) in Frage. Hier ließe sich nochmals Geld und Gewicht sparen.)

Gehen wir zur nächsten Baustelle, der Gondel. Aus humanklimatischen Erwägungen schlage ich eine Bauweise komplett in Schaumstoffsandwich vor. Isolierung über alles: Im Sommer kühl und im Winter warm. Auch hier ein Kalkulationsergebnis:

Gesamtgewicht mit festen Einbauten unter 300 kg bei einem Materialaufwand von knapp 8.000. DM. Ob meine Auffassung von "komfortabel" bei der geplanten Gondel, von jedermann geteilt wird bleibt natürlich offen. Tatsache ist, das sie einen weiträumigen, hellen Lebensraum von ca. 8 Quadratmetern mit Stehhöhe im Pantry und Sitzbereich bietet. Zwei Einzekojen (0,9 x 2,0m) bieten echten Schlafkomfort, der nur nach dem Umbau zur Doppelkoje (2,0 x 2,0 m) noch gesteigert werden kann. Der luftige, isolierte Schlafplatz wird absolut Kondenswasserfrei sein! Die Pantry weist zwei Arbeitsflächen von je 70 x 80 cm auf und hat schöne große Schubladen (von Ikea!?) für alle Utensilien. Ablagen und Stauräume sind überhaupt reichlich vorhanden.

Das Fehlen einer abgetrennten "Naßzelle" (allein das Wort ist fürchterlich) kann ich persönlich verschmerzen (ab 12 m Bootslänge und einer 6 m Kanzel ist sie aber auch wieder möglich). Bei allem Hang zur Kultiviertheit, es gibt keine Seetoilette, die es mit dem Klo zuhause aufnehmen kann. Entweder taugen sie nichts oder sind immens kompliziert und teuer und damit wiederum störanfällig, vom Gewicht ganz zu schweigen.

WC + Fäkalientank + Pumpen + Schläuche + Seeventile + etc. bringen (ungefüllt) leicht 30 - 40 kg auf die Waage und kosten locker über 1000. DM. Ich stelle mir eine 3stufige Entsorgung vor:

1. Open-Air-Klo - unübertroffen billig und absolut geruchsneutral.

2. Inside-PlumpsKlo - durch Sitzung in der Gondel uneinsehbar, mit edler Holzbrille in der Sitzbank.

3. Öko-Kultur-Klo - in Form eines Portapotti, das unter dem Cockpit geparkt wird und bei Bedarf von Innen erreichbar ist. Soweit zu dem, wie ich "Komfort" sehe.

Verbindung

Wie wird nun das Ganze zusammengehalten? Die Beams sind einfache Alu-Rohre oder Mastprofile mit jeweils ca. 35 kg, weil bewährt und preiswert. Ein gesundes Mißtrauen gegenüber allen Verschraubungen und Bolzen hat mich ich gestehe es ein zu einer Anleihe bei James Wharram geführt. Nicht die guten alten Laschings, sondern die moderne Lösung mit Spanngurten ist mein Favorit. So werden die Beams in halbschalige Lagerungen der Rümpfe eingelegt und je Lagerbock mit zwei Spanngurten befestigt. Genauso wird mit der Gondel verfahren. Sie wird auf die fertige Beam-Rumpf-Konfiguration aufgesetzt und ebenfalls mit je einem Spanngurt pro Ecke festgezurrt. So sind alle elementaren Verbindungen immer sichtbar und zudem doppelt ausgelegt.

Alternativ kann man sich natürlich auch zwei 'Tragflächen' aus einer kohlefaserverstärkten Sandwich-Konstruktion vorstellen.

Die Räume zwischen Gondel und Rümpfen werden durch Trampoline (Netze) abgedeckt. Das ergibt an beiden Seiten ein Sonnenplätzchen von 4,5m x 1,2 m plus Deck des Rumpfes. Gegen Abtrift werden ein/zwei Schwerter eingesetzt, ob Steck oder Schwenk, nach belieben. Die Ruder werden aufholbar gestaltet, so daß man den Tiefgang von 25 cm am Strand so richtig ausleben kann.

Vortrieb

Nachdem nun das Boot "fertig" ist, wird es langsam Zeit sich um den Vortrieb zu kümmern. Beim Motor tue ich mir leicht. Der bewährte Yamaha 9.9 wird unter dem Cockpit schwenkbar eingebaut.

Overview

Aber das Rigg! Wenn ein Konzept schon "Future" heißt, kann es selbstverständlich nicht mit einem "0815Segel" daherkommen. Auf der Suche nach dem passenden Rigg blieb ich im hohen Norden bei Hr. Sass hängen. Ein Parallel-Rigg ist die logische Konsequenz. Da die Rümpfe leer sind, kann sich dort die Verstrebung der Mastlagerungen bedenkenlos breit machen und die Gondel wird statisch nicht belastet. Bei dem angestrebten Reisegewicht des Bootes von 1,5 t kommt man leicht mit 2 x 20 qm Segelfläche aus (immerhin 26,5 qm/t).

Mein derzeitiges "Traumschiff" zeigt sich bereits mit ca. 19 qm/t als reichlich betucht. Das Segel wird in einer Tasche über den 9 m hohen Mast gezogen, was Strömungsstörungen vermeidet. Die Masten sind drehbar gelagert, was einfachstes Reffen durch Aufwickeln der Segel um den Mast erlaubt. Die Reffleine kann dabei ala Rollfock in das Cockpit geleitet werden. Kontrolliert wird das Segel über eine Grosschot, die an einem Gabelbaum angreift und einen Niederholer am Gabelbaum vorne, mit dem der Bauch des Segels eingestellt wird. Die Quintessenz des Riggs: Auf jeder Cockpitseite 3 Leinen und beide Segel können in allen Lebenslagen, ohne das Cockpit zu verlassen, bedient werden. Simpler geht es nicht wenn es so funktioniert. Und für Leichtwind ein "Rahsegel" zwischen die Masten? Sollte Hr. Sass diese Zeilen lesen oder ein anderer "Parallel"-Segler, ich bin an jeglicher Information und Erfahrung brennend interessiert.

So 'future'-mäßig diese Besegelung auch ist, hat sie doch einen Wermutstropfen - den Preis. Unverstagte Masten müssen wohl oder übel mit Kohlefaser verstärkt werden, die sogar im "Selbstbau" mit Materialkosten von je ca. 2000. DM zu Buche schlagen. Vom Aufwand des Machens einmal ganz abgesehen. Aber ich kann (will) mir für dieses Bootskonzept einfach nichts anderes vorstellen, was natürlich nicht heist, das ein normales Sluprigg mit Lattengroß undenkbar wäre. Altenativ kann das Parallel-Rigg aber auch (beinahe) herkömmlich verstagt werden - mit einer Querspiere von Masttop zu Masttop und Wanten überkreuz zwischen den Masten.

Möglich ist es auch die Gondel einmal wegzulassen, um nur mit einem übergrossen Strandkat rumzutoben. Vielleicht nur mit einer Plattform mit Zelt zwischen den Beams?

Jetzt stelle man sich noch vor, meine Idee würde einige Mitstreiter finden. 10 Rümpfe oder 20 Masten! in Kleinserie gebaut und die Kosten und der Aufwand gehen in den Keller.

Schlussrechnung

Zum Schluß noch einen überblick über die Gewichts und Materialkostenseite:

Bauteil kg DM
Rümpfe 450 15.000
Gondel 300 8.000
Beams 75 1.000
Rigg 175 8.000
Ausrüst. 200 13.000
gesamt 1200 45.000

Diese hübschen, nach oben gerundeten Zahlen sehen nicht unbedingt nach einer exakten Berechnung aus. Ich habe mich jedoch bemüht meine (ausführlichere) Kalkulation möglichst wirklichkeitsnah zu gestalten. Es bleibt wie immer einer Realisierung überlassen, die Preis und Gewichtsvorgaben zu bestätigen. Daß die Kiste schnell genug sein wird, da bin ich mir fast sicher.

Future 12

Future12: Übersicht | Gondel

Noch ein Aspekt: Eine Nummer größer bedeutet bei diesem Konzept nicht wie üblich eine Nummer teurer!

Othmar Karschulin

NACHTRAG aus 2002

Die Idee zur FUTURE stammt aus den beginnenden '90 Jahren. In der Zwischenzeit gibt es einige ähnliche Designs z.B. von Crowther mit dem Design325, von Kerry Thomas mit dem ClamCat oder den DUO800 von Bernd Köhler.