Das Parellel-Rigg

Heinz-Jürgen Sass, Schweden

Mit 25 Jahren Erfahrung mit Mehrrumpfbooten arbeite ich jetzt die letzten Jahre am Doppelrigg für Katamarane. Ich segle selbst mit einem kleinen Kreuzerkat von 6,5 m Länge und einer Breite von 4 m und zwei Segelflächen von zusammen 33 qm. Diese stehen an zwei unverstagten Masten aus GFK. Sie sind über zwei Alurohre gesteckt, die fest und dicht in den Rümpfen sitzen, so daß es keine Undichtigkeiten im Rumpf gibt, da alle drehbaren Teile über Deck liegen.

Die Segel haben Taschen an der Vorderkante die über die Masten gestülpt werden. Hierdurch entsteht eine profilierte Vorderkante des Segels. Das Reffen und Bergen des Segels geschieht durch Aufrollen am drehbaren Mast. Das Schothorn ist an einem diagonal geführten Baum fest, der mit einem speziellen Haken um den Mast greift und heruntergezogen wird, wodurch ich den Bauch und Stand des Segels kontrollieren kann.

Zur Zeit arbeite ich mit der 3. Generation Masten und der 2. Generation Segel, d.h. die ersten Masten hatten Kreisquerschnitt, während die heutigen nur unten noch Kreis-, oben aber ovale Querschnitte aufweisen. Die Wanddstärke variiert von unten 6 mm auf oben 2 mm. Das Gewicht der Masten ist ungefähr das gleiche eines voll verstagten Mastes.

Der Schnitt der Segel muß, insbesondere im vorderen Bereich, sehr exakt der Mastkurve angepaßt werden. Hierbei kommt mir meine Erfahrung mit dem FinnDinghy zu Gute. Beim Kat treten jedoch ganz andere Kräfte auf, da das Vorliek 9,3 m lang ist und der Kat eine weit größere Stabilität hat.

Das Unterliek des Segels darf bei diesem Rigg nicht länger sein, als der Abstand zwischen den Masten, da ein Vorteil dieses Riggs darin besteht, daß die Segel bei raumem Wind nach vorn durchschwenken können. Die Segelfläche entspricht etwa der von Groß und Genua eines normalen Riggs. Da es leicht zu reffen ist, kann man ungerefft lieber etwas mehr Segel vorsehen. Dieser kleine Kat läuft sehr hoch am Wind. Es sind mehrere Komponenten, die dazu beitragen:
1 die Tasche um den drehbaren Mast, wodurch das Segel profiliert wird, 2. die fehlende Verstagung, die den Widerstand verringert, 3. zwei Segel, die einen Teil des Rumpfes als Segeifläche nutzen.

Bei stetigem gleichmäßigen Wind habe ich einen Kreuzwinkel von 65° ermittelt, gegenüber einem ,, normalen" Boot, das 90° Kreuzwinkel hat. Dieser günstige Wert ist natürlich nur erreichbar bei ruhiger See und großer Aufmerksamkeit des Rudergängers. Die Idee des Doppelriggs beruht auf der Doppeldeckertheorie. Dabei stehen die beiden Segelflächen auf Abstand mit verschiedenen Schotwinkeln. Die Zirkulationsströmung überlagert sich, und das ,,Leesegel" muß immer dichter geschotet werden.

Hart am Wind ist dieser Schotwinkel an beiden Segeln nicht unterschiedlich, sie stehen so weit auseinander, daß sie sich nicht merklich beeinflußen, d.h. man kann sehr schnelle kurze Schläge machen, ohne die Schotung zu ändern. Bei raumen Kursen läßt man dann das Luvsegel etwas loser als das Leesegel. Wenn der scheinbare Wind etwa quer zum Boot einfällt, muß das Leesegel viel dichter gefahren werden als das Luvsegel d.h das Luvsegel steht etwas quer zum Boot.

Wird der scheinbare Wind noch raumer, läßt man das Luvsegel etwas nach vorn und das Leesegel quer geschotet. Bei achterlichem Wind werden beide Segel nach vorn rausgelassen, eines nach jeder Seite. Dadurch verhindert man auch das Risiko einer unfreiwilligen Halse. Das Segel schlägt nicht rüber, wenn es etwas nach nach vorn rausgelassen wird. Zusätzlich läßt es sich bei längeren Vormwindstrecken durch eine dünne Leine nach vorn zum Bug sichern. Bei leichtem Wind kann diese Stellung auch bei etwas raumerem Einfall beibehalten werden, nur wird dann das Leesegel etwas dichter gefahren, während das Achterliek des Luvsegels zur Eintrittskante eines ,, Vorsegels" wird.
Hierbei erreicht man, was beim Segeln am wichtigsten ist. Es handelt sich darum, einen maximalen Luftstrom so auszunutzen, daß die Strömung nicht abreißt.

Um diesen großen Luftquerschnitt auszunützen, macht man üblicherweise die Masten immer höher und höher, in unserem Fall nutzen wir die Breite des Bootes aus mit dem gleichen Seitenverhältnis der Segel. Wir können also mehr Segel tragen ohne die Segelfläche zu vermindern. Mit den Erfahrungen dieses und anderer Boote würde ich sagen, man sollte die Segelfläche nicht noch mehr unterteilen. Bei jeder weiteren Unterteilung mindert sich die Möglichkeit hoch an den Wind zu gehen. Jedes Segel muß individuell geschotet werden. Es geht leider nicht, wie beim Pyramidenrigg, nur eine Schot zu fahren.

Der unverstagte Mast hat besondere Vorteile für den Tourensegler: Die Form und Wandstärke geben solche Eigenschaften, ohne daß die Kraft im unteren Teil des Segels verschwindet. D.h. bei böigem Wind reguliert sich die Kraft des Segels automatisch. Durch die Dimensionierung des Mastes kann man dann die gewünschte Eigenschaft für eine bestimmte Windstärke festlegen. Dieser Mast hat auch den Vorteil, daß sehr kleine Kräfte auf den Rumpf ausgeübt werden.

Das ganze Boot braucht nicht so schwer gebaut zu werden, wie es eine normale Hochtakelung verlangen würde. Diese benötigt ein sehr steifes Vorstag, daß große Belastung ins Boot bringt, um hoch an den Wind zu gehen. Gerade diese Eigenschaft ist mangelhaft an vielen Katamaranen, die selten hoch an den Wind gehen können, weil die Boote, und damit das Vorstag zu weich sind. Gerade diese Eigenschaft hat den Ruf der Kats als schlechte Kreuzer bewirkt.

Ich würde das Doppelrigg für Familiew und Tourensegler empfehlen. Es ist leicht zu handhaben und hat sehr großen Effekt. Da man nur 2 Segel braucht, ist der Preis auch verhältnismäßig günstig.

Heinz-Jürgen Sass, Hainngatan 8, 18500 Vaxholm den 29.4.1988


Beispiele realisierter Boote