Alptraum unter Palmen

52 Fuß MegaCat auf dem Weg von den Malediven in die Adria

Jedes Boot könnte eine kleine Geschichte erzählen – die Vida Alegria eine ganz besondere.

Er ist nicht der einzige, der von einem eigenen Boot träumt, aber Segler T. hat ihn auch wahr gemacht. Nach langem Suchen glaubte er auf den Philippinen sein Schiff gefunden zu haben. Ein schnittiger 16m Kat nach Kelsallriß 1986 gebaut, wurde für umgerechnet über 150 000 Euro gekauft. Damit sollte der Thor Heyderdal Kontiki Jugendtraum erfüllt werden. Mitsegler, Tauchfreunde fanden sich schnell um mit diesem Boot zu segeln. Vorsichtig genug, um seine frisch erworbenen Maritimkentnisse zu vertiefen, wurde auch für das erste Teilstück Philippinen - Malaysia ein Deutscher "Profi" Skipper angeheuert. Dieser erste Törn wurde bereits für beide Parteien zum Alptraum. Technische Problem, Fachliche Unkenntnis verbunden mit nvigatorischen Fehlern und Menschliche Dispute sorgten für eine gespannte Situation. Das Chinesische Meer mit Windstille und plötzlichen Gewittern setzte noch eines drauf. So trennte man sich gerne in Langkawi, Malaysia voneinander. An einem Stammtisch unter Seglern würde man das als Seglerlatein abtun und ungläubig den Kopf schütteln - wer aber einmal die Salzluft nicht als Charterkunde geatmet hat, weiß - so etwas ist völlig normal.

T. aber noch unbekümmert, kümmerte sich um seinen defekten Antrieb, wunderte sich über die merkwürdige Elektrik und Elektronik seines Bootes und nähte seine Segel nach. Die Liste der Defekte wurde trotz ständigem Service nur länger und so freute er sich über das Angebot eines ExMitSegelschülers C. der ihm ab sofort helfen wollte. Voller Elan und Vollgas, im Schlepp einige Thaimädels kam die Crew in Pukhet an. Um dieses nun nicht mehr so billige Unternehmen aber zu finanzieren (die Eltern haben auch noch kräftig unterstützt) und den Familienhaussegen wieder gerade zu hängen - flog der Eigner nach Hause. Hier konnten zwar die steilen Falten zwischen den Augen seiner Frau geglättet werden und man verdiente genug um in Europa leben zu können - aber so nebenbei noch einen Großkat halten zu können - dazu sollte man bereits arbeiten lassen können. Zumal die Idee mit Chartergeld und Tagestörns nicht so ausging, wie geplant. Die Gäste kamen, aber das Geld erreichte leider nie den Eigner. Zu Guter Letzt fanden die Segelwilligen einen schwimmenden Treibanker vor. C., ohne aus Thailand offiziell auszureisen, ließ das Boot mit defektem Mast und Antrieb nach Überführung einfach in Sri Lanka stehen und begann Teile der Ausrüstung zu verkaufen.

Also erneute Anreise des Eigners, mit fachlicher Unterstützung und genügend Ersatzteilen im Gepäck nach Sri Lanka. Mit den Notreparaturen schaffte man es doch bis auf die Malediven. Hier liegt er nun seit fast einem Jahr für 450 U$ im Monat und wartet auf weiteres. Ohne Reparatur - kein Charter. Ohne Charter - kein Geld. Die Spirale dreht sich immer schneller und so wird, bei keinem oder mangelndem Service aus einem flotten, großen Kat sehr schnell ein stockender, ausgeplünderter schwimmender Alptraum. Wie aber, soll auf den Malediven das außenliegende Getriebe repariert , der Mastfuß geschweißt und das komplette stehende Gut ersetzt werden?

Vollgende Lösung wurde gewählt: Segelklar machen und nach Europa überstellen um es zu überholen. T. beauftragte einen KatProfi und Bootsbauer mit der Lösung dieses Problems.

Skipper Udo's Bericht von den Palmen

Ankunft Male International Airport 05.12.01 um 10.35. Angenehm warmer Wind bläst mir, nachdem ich Wien bei Schneefall verlassen hatte, entgegen. Leider zeigt der Zoll wenig Verständniss für meine 4 Flaschen Ouzo und Whisky und auch die Tatsache "Yacht in Transit" beeindruckt sie wenig. Alkohol strengstens verboten. Am Tag meiner Abreise aus den Malediven bekäme ich sie zurück, Trockenzeit angesagt.

Ein junger Mann erwartet mich am Flugsteig und stellt sich als mein Agent vor. Kurz darauf bin ich mit einem Wassertaxi (Dohni) an Bord der "Vida Alegria”". Der 52' Kat liegt an einer Boje ca. 1 nm von der Hauptstadt Male entfernt - es wird mein isoliertes Zuhause für die nächsten Monate. Groß gekümmert hat sich keiner um ihn hier, na vielleicht bis auf seine Elektronik - sie ist zum größten Teil verschwunden (sprich geklaut). (Weitere Segelinfos über die Malediven findet ihr unter www.bluewater.de - Weltreviere - Indischer Ozean - Malediven).

Soweit möglich sortiere, repariere oder baue ich alleine das Schiff um, während ich mit Hilfe von Mohammed Nash (dem Agenten) auf die Erlaubnis warte in den Hafen zu kommen. Ein Autokran soll den Mast heben und an Land ablegen, denn für einen Austausch der Wanten auf See wackelt es sogar auf diesem Riesenkat zu stark. 6 Stunden im Hafen kosten 100 U$, der Kran 50 U$. Da der Antrieb aber noch repariert werden muß, verlangen die Wassertaxikapitäne auch noch 50 U$ einfach, um das Sportgerät die 1,5 nm zu schleppen. An der Elektrik haben sich (wie bei vielen Schiffen) unzählige Experten versucht und die blau und schwarzen Kabel (natürlich unbeschriftet), teilweise garnicht oder gleich dreimal über die Sicherungsbox geschlauft. Der Solarstrom von 5 Paneelen fließt ungehindert in die Batteriebank. Resumee: 2 der 3 neuen 120 Ah (2 Monate alt) sind schon wieder kaputt. Ausreichend dimensionierte Kabel wurde auch nicht verwendet. Ein mitgebrachtes Solarregelteil koordiniert zumindest die Voltzahl und Strommenge des Inputs. Die Motorbatterie wird gesondert geschalten und für die Ankerwinschbatterie kommt jede Rettung zu spät. Ich habe also noch 63 Ah für den 30 PS Yanmar Diesel und 120 Ah für das Schiff - sollte doch bis Europa reichen!

Auch der mitgebrachte Antriebsbolzen aus England ist genau die Lösung für den streikenden Antrieb. Leider ist der Einbau, des außen angebrachten und klappbaren Sonicdrives, bei bis zu 4 kt Strom, Wind bis 25kt am Schiff nicht möglich. Also komplett ausbauen und in die Hände einer Fachwerkstatt gegeben. Mit dem an Bord verbliebenen Werkzeug geht es auf keine Fälle. Die Tage sind gefüllt mit Umbauten, Reparaturen und Vorbereitung auf die Reise – sowie dem fast alltäglichen Wunsch der Agent möge sich nicht mehr als 60 Minuten verspäten oder überhaupt kommen. Witzig ist das Warten in einem teilgefluteten Schlauchboot bei strömendem Regen wirklich nicht. Nach 4 Stunden wäre der Mast wieder zum Aufstellen bereit - solange dauerte es um 2 neue Wanten und ein Vorstag mit kompletter Rollanlage zu montieren. Nicht hier - nach 3 Tagen bin ich wieder im Hafen. Ein versierter Schweißer übernimmt die Notreparatur des Mastfußes (eines 18m Schwenkmastes mit allein 10 qm Profilsegelfläche). Leider hat auch der konstant blasende NE Monsun kein Einsehen und so ist es nicht einfach auf dem schaukelnden Kat die Rollfock zu montieren. Der Fallenabweiser rollt das Fall (also genau das Gegenteil) auf den obersten Teil der Rollanlage und die starken Winschkräfte reißen die neue Vernietung (bis ich es erkenne) glatt auseinander. Mit Tricks und Rollen aber bekomme ich das auch in Griff - nur meinen Mohammed nicht. Als er mich am 31.12 immer noch nicht ausgecheckt hat, übernehm ich das selbst.

Servus Male, Servus 2001

Abends, mit dem vollen Mond steche ich in See und verlasse meine Boje. Neujahr wird mit Wasser, allein, 40 nm NW von Male gefeiert und der Seeschlitten ist auf seinem ersten Teilstück Male - Suqutra 1259 nm Kurs 295°. Konstant bläst er aus NE mit 10 – 20 kt. Leider kann ich bei so kleiner Mannschaft nicht das optimale aus dem Renner herausholen. Ab 8 Knoten ist der Steuerdruck des unterdimensionierten und falsch konstruierten Ruder für den Autopiloten zu groß und er schießt in den Wind (falls er überhaupt reagiert). Nun wird also Trimm und Segelgarderobe ausprobiert, bis er bei ca. 5 Knoten ohne Mucken allein mit dem Autopiloten dahinsegelt. Die NMEA Schnittstelle des Autohelm 3000 fehlt, ansonst könnte ich wie auf meinem Kat digital segeln - mein kleiner Laptop mit passender NavSoftware übernimmt ab sofort den Job. Zeit, draußen in die glitzernden Wellen des Indischen Ozeans zu träumen. Von drinnen ist das leider unmöglich - irgend ein Voreigner hat alle Fenster weiß zugemalt - kein Witz. Nun sitze ich also in einem Riesensalon wie in einer Höhle und das Tageslicht kommt nur durch die Schiebetür, da auch alle Luken des Kats zugemalt sind. Na da gibt es ordentlich Arbeit in Europa.

Wie kann man alleine so ein großes Schiff tagelang durch den halben Indischen Ozean fahren? Nun mit ein bißchen Erfahrung und Vorbereitung bleibt auch dieser Kat was alle anderen sind - ein Segelschiff. Da sich der Kurs oder Wind nicht alle 5 Minuten ändern wird der grobe Kurs manuell eingesteuert und der Trimm optimiert. Ohne Autopilot geht es natürlich nicht und die lange Zeit allein, bin ich von "Mit dem Wind um die Erde" schon gewohnt. Zu langweilig halte ich weder meinen Speiseplan noch die Wartungsarbeiten und das Schiff sorgt weiter für Überraschungen. Bei 5 - 10 kt Wind (am Wind Kurs) schleicht der Renner gerade über 4 kt schnell, fast keine der Luken ist dicht und durch ein Leck im Rumpf kriecht bis zu einem Liter Salzwasser täglich in den Rumpf. Da er keine Bilge hat, gekommt man also ständig nasse Füße. Das Großsegel deckt nun teileweise die Solaranlagen ab, nun geht die Energiebilanz nicht auf. Motor an - geht nicht - Motordeckel auf - wie auch, der schwimmt ja schon fast im Salzwasser. Leck suchen, abdichten, Anlasser reparieren - starten - Strom. 6 Stunden Kühlschrank muss ab sofort reichen, denn bei den Vibrationen des 30 PS Yanmar bekomme ich sonst Kopfweh. Nach wie vor aber bläst der NW Monsun mit lauen (30 Grad) 10 kt und das Schiff dümpelt Richtung Suqutra, dem angeblichen PiratenBermudaDreieck. Fremde Schiffe sehe ich momentan keine und so schlafe ich mit einer schnell gebastelten Ankerleuchte seelenruhig die ganze Nacht - diesmal aber im Salon, denn dann bin ich schneller draußen wenn der Autopilot alarmiert, die Segel knattern oder mich der 7. Sinn weckt.

12 Tage nach Verlassen der Malediven runde ich den Wegepunkt Suqutra bei fast völliger Flaute und gleite in den Golf von Aden. Jetzt nimmt auch der Schiffsverkehr zu - bis zu 2 Schiff sehe ich täglich. Hier bekomme ich nun den Wind ganz von Achtern und da der Spinacker sich nur als ein hoffnungslos zerrissener Stoffhaufen entpuppt, wird der Genacker mit mäßigem Erfolg als Vorwindsegel eingespannt. Eine Butterfly-Besegelung (Groß auf eine Seite ausgebaumt und die Fock auf die andere) scheitert an der fehlenden Langkielform - kein Autopilot der Welt könnte dieses bis zu 50° geeier auf beide Kursseiten schnell genug ausgleichen. Wenn dieser überhaupt geht - mitten in der Nacht wache ich auf - Segelgeknatter. Es ist stockdunkel im Schiff, elektrisch geht nichts, aber auch garnichts - da kann auch kein Autopilot den Kursversatz warnen. Mein persönlicher Alptraum wird war - kein GPS, kein Computer und kein Autopilot. Was - soll ich nun nach knapp 1800 nm plötzlich selber lenken? Nein - also mit der einzigen Taschenleuchte (meine eigene) an Bord im Mund und meinem Meßgerät suche ich, wo denn der Strom unterbrochen ist. 20 Minuten später ist die 20 Amper Sicherung der 5 Optionen im Minusbereich (?)ausgewechselt und die Systeme werden wieder hochgefahren. Dafür hat nun aber der Wind etwas gedreht und mit 5-7 kt spritzt der Kat geradewegs nach Djibouti. Olle aus Schweden sollen die Ohren klingeln. Mit seiner Neuen NavSoftware (für die ich Testpilot spiele) bin ich ohne Probleme hierhergekommen, habe die kleinen Fehler gewissenhaft notiert und werde sie bald weiterempfehlen.

Für die nächsten 1200 nm ist dies der einzige Hafen in dem man Europäische Waren (Supermarkt) kaufen kann und bis auf 2 Dosen Tuna und 3 Päckchen Nudeln sieht es auf dem Schiff nach einer gelungenen Planung für die letzte Etappe aus. 1952 nm liegen hinter mir - die leichtere Hälfte der gesamten Reise. Nun aber rasch mal in die Mailbox geguckt, eine Pizza verdrückt und ab gehts nach Eritrea. Bis bald von der heißesten Stadt der Erde (Durchschnitt 35 Grad)

Wyklicky Udo

email: wyky@gmx.net, homepage: www.skipper-wws.de

2. Teil - Alptraum unter Palmen


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